Handbuch des Alt-Irischen/I. Teil: Grammatik/Einleitung

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Handbuch des Alt-Irischen
I. Teil: Grammatik
Einleitung
 (1909) 
by Rudolf Thurneysen
[ 1 ]


Einleitung.


Keltische Sprachen.

1. Das Alt­irische ist die älteste für uns erreich­bare Gestalt eines Gliedes der kelti­schen Sprach­gruppe.

Die kelti­schen Sprachen gehören zur indo­germa­nischen Sprach­familie. Sie trennen sich geogra­phisch in zwei größere Ab­teilungen, Insel­keltisch und Festländisch-Keltisch:

I. Insel­keltisch umfaßt die Sprachen, die auf den groß­britan­nischen Inseln gespro­chen werden oder von dort aus­gegangen sind. Es zerfällt in

1. Irisch, auch Gälisch oder Goide­lisch genannt. Jener Name nach dem Haupt­gebiet Irland, dieser davon, daß sich der Ein­geborene als Goidel, seine Sprache als goidelg bezeich­nete. Der modernen Aus­sprache des letztern Wortes (neuir. gaedhilge oder gaoi­dhilge ge­schrieben) ent­spricht das englische gaelic, dem unser ‘gälisch’ nach­gebildet ist. Im Mittel­lateini­schen sagte man dafür scottice, scotice nach dem Namen Scotti, womit die Römer seit dem 4. Jh. n. Chr. die Stämme Irlands be­zeichnen. Im Engli­schen früher auch erse, eigent­lich ‘irisch’.

Land­schaft­lich scheidet es sich heute in

a) Irisch, auf Irland selber. Man nennt die Sprache der ältesten Denkmäler altirisch, die seit dem 10. Jh. mittel­irisch, seit Anfang des 17. Jhs. neuirisch.

b) Gälisch oder Schottisch-Gälisch im Norden der engli­schen Insel, dem schot­tischen Hochland, und auf [ 2 ]den westlich vorge­lagerten Inseln. Es ist durch irische Eroberer seit Ende des 5. Jhs. n. Chr. impor­tiert worden.

c) Manx oder Manks, die Mundart der Insel Man.

Von b) und c) sind sehr alte Denkmäler nicht vorhanden.

2. 2. Britannisch, genannt nach der römischen Provinz Britannia. Es zerfällt in

a) Kymrisch (englisch Welsh, französ. gallois), die Sprache von Wales, genannt nach der einheimi­schen Bezeich­nung der Bewohner als Cymry (Sprache cymraeg). Man unter­scheidet die älteste Periode als alt­kymrisch von mittel­kymrisch (seit dem 12. Jh.) und neu­kymrisch oder kymrisch schlecht­hin, der modernen Sprache, etwa seit den ältesten Drucken des 16. Jhs.

b) Kornisch, im Mittelalter Sprache der Halbinsel Cornwall, jetzt ausge­storben.

c) Bretonisch (französ. bas-breton) oder aremo­risch, Mundarten der bretoni­schen Halbinsel Frank­reichs, der sog. Basse-Bretagne, die im Altertum Aremorica hieß. Durch britan­nische Ein­wanderer seit dem 5. Jh. einge­führt. Alt­breto­nisch heißt die Sprache der alten Glossen und Urkunden, mittel­breto­nisch die der Literatur­denkmäler seit dem 15. Jh., neu­breto­nisch oder einfach breto­nisch die heutigen Dialekte seit Anfang des 19. Jhs.

Die ältesten Denkmäler des Britannischen sind zwar nicht wesent­lich jünger, aber lange nicht so reich­haltig wie die des Irischen. Außerdem ist die Sprache grammati­kalisch schon weit mehr verändert, auch das Sprachgut durch das Ein­dringen des Lateini­schen viel ge­mischter, eine Folge der Römer­herr­schaft in England. Aber gerade die ältesten Denkmäler lassen erkennen, daß das Britan­nische früher, etwa zu Beginn der Römer­herr­schaft, dem Irischen außer­ordent­lich gleich­artig war. Die große Ver­schieden­heit der Wort­formen, wie sie in der histori­schen Periode auftritt, beruht, außer auf ein par Laut­unter­schieden wie britann. p für ir. q, in erster Linie auf der [ 3 ]abweichen­den Lage des Haupt­akzents. Während er im Irischen immer die erste Silbe des Wortes traf (§ 34), ruhte er im Britan­nischen vor dem Schwund der Endsilben stets auf der vor­letzten. Infolge­dessen ist der Voka­lismus der alten Mittel­silben im Britan­nischen oft besser erkennbar als im Irischen.

Britannisch nenne ich in dieser Grammatik Wort­formen, die allen britan­nischen Dialekten zu Grunde liegen; dagegen alt­britan­nisch Namen, die aus der Römerzeit über­liefert sind.

3. Vom Piktischen, der einstigen Sprache der Picti im Norden der engli­schen Insel, besitzen wir außer ein par Eigen­namen fast nichts. Sie lassen eben nur erkennen, daß dort gleich­falls eine dem Irischen und Britan­nischen nahe­stehende keltische Sprache ge­herrscht hat.

Sammlung der Reste bei Stokes, Trans­actions of the Philo­logical Society 1888–1890, p. 390 ff. = Bezzen­bergers Beitr. 18, 84 ff. – Über In­schriften aus jenen Gegenden s. Rhys, Proceed­ings of the Society of Anti­quaries of Scotland 26, 263 ff.

3. II. Fest­ländisch-Keltisch, oft kurzweg gallisch genannt, die Sprachen der kelti­schen Stämme in beiden Gallien, auf der pyrenä­ischen Halbinsel, im mittleren Europa bis zum schwarzen Meer hin, endlich in Galatien in Klein­asien seit der An­siedlung der kelti­schen Galater. Alle schon am Ende des Altertums ausge­storben. Ihre Denkmäler, für die Ge­schichte des Kelti­schen von großer Wichtig­keit, sind daher sehr spärlich.

Keltische Inschriften in geringer Zahl sind in Frank­reich, ein par auch im nörd­lichen Italien gefunden worden. Die beste Zusammen­stellung (außer den Münz­auf­schriften) bei

John Rhys, The Celtic inscrip­tions of France and Italy. Proceed­ings of the British Academy, Vol. II (1907).

Nach dieser Sammlung zitiere ich gewöhn­lich. Dazu die Fragmente eines bei Coligny (Ain) ge­fundenen Kalenders, hgg. von Dissard, Comptes-Rendus de l’Académie des Inscrip­tions et Belles-Lettres 1897–1898, und von Espé­randieu, Supplé­ment à la Revue Épigra­phique, No. 90.

[ 4 ]Ein par gallische Wörter erklärt ein zuerst von Endlicher veröffent­lichtes Glossar aus dem 5. Jahr­hundert (beste Ausgabe von Zimmer, KZ. 32, 230 ff.).

Sonst kennen wir außer vereinzelten Zitaten galli­scher Wörter, worunter nament­lich Pflanzen­namen, nur eine große Anzahl von Personen- und Ortsnamen aus den oben genannten Gebieten. Eine alfabeti­sche Sammlung solcher Wörter, die sicher oder möglicher­weise keltisch sind, bringt

Holder, Alt-Celtischer Sprachschatz. Bd. I II (A bis T) 1896–1904, Bd. III im Er­scheinen (Lieferung 17, 1907).

Nach diesem Werke, dessen Deutungen oft etwas kühn sind, zitiere ich alt­keltische Formen, wo nichts anderes bemerkt ist.

Quellen.

4. Unter den Denkmälern des Altirischen kommen für die Grammatik vor allem die in ungefähr gleich­zeitigen Hand­schriften über­lieferten in Betracht. Es sind größten­teils Glossen, d. h. irische Erklärun­gen, mit lateini­schen vermischt, die zwischen die Zeilen und an den Rand lateini­scher Hand­schriften ge­schrieben sind. Die meisten sind auf dem Festland erhalten, wo sie früh nicht mehr ver­standen wurden und unbenützt liegen blieben, während im irischen Mutter­land die alten Hand­schriften zerlesen wurden und die Texte daher meist nur in späteren Ab­schriften auf uns gekommen sind, wobei die Sprache manche Ver­ände­rungen erlitten hat.

Die vollständigste Sammlung jener altüberlieferten Denkmäler bieten

Thes. Stokes and Strachan, Thesaurus palaeohibernicus. 2 Bde. 1901–03.

Die Texte sind mit einer englischen Über­setzung versehen; sie sind emendiert, die hand­schrift­liche Lesung in die Noten verwiesen. In der Vorrede sind die früheren Ausgaben auf­geführt. Nach der Zählung dieser Sammlung zitiere ich.

Eine ältere Sammlung ist

Zimmer, Glossae Hibernicae 1881; dazu: Glossarum Hibernicarum supple­mentum 1886.

[ 5 ]Sie gibt die Texte genau nach der Hand­schrift, ohne Über­setzung.

5. Die hauptsächlichsten dieser Denkmäler sind die folgenden:

1. Wb. Die Würzburger Glossen zum lateini­schen Text der paulini­schen Episteln. Der Haupt­glossator (Wb) hat die Er­klärungen auf fol. 1–32 ge­schrieben, ein zweiter (Wb II) hat sein Werk auf fol. 33 und 34a in etwas jüngerer Sprache fort­gesetzt. Schon vor dem Haupt­glossator waren, viel­leicht vom Schreiber des lateini­schen Textes selber, wenige, meist nur aus einem Wort be­stehende Glossen beige­schrieben worden (Wb I). Die Glossen des Haupt­glos­sators zeichnen sich, obschon sie aus einer anderen Hand­schrift kopiert scheinen, durch außer­gewöhn­liche Korrekt­heit aus; Fehler sind selten. Über ihr Alter s. § 8.

Erste vollständige Ausgabe von Zimmer, Gloss. Hib. 1 ff., vgl. Supplem. 6 ff.

Dann: Stokes, The Old-Irish glosses at Würzburg and Carlsruhe 1887

und: Thes. I, 499 ff. Vgl. dazu Zimmer, ZfCP. 6, 454 ff.; Stern ebend. 531 ff. (neue Kolla­zionen).

6. 2. Ml. Die Mailänder Glossen, aus Bobbio stammend; Er­klärungen zu der lateini­schen Epitome eines Kommen­tars zu den Psalmen, die wohl von Columban herrührt, das umfang­reichste dieser Denkmäler. Außerdem enthält die Hand­schrift zwei nur noch zum Teil lesbare irische Gedichte (Thes. II 291 f.).

Die Sprache ist jünger als Wb, die Glossen wimmeln leider von Flüchtig­keits­fehlern, so daß auf ver­einzelte Schrei­bungen kein Verlaß ist.

Zur Sprache vgl. Ascoli, Note Irlandesi 1883; Strachan, ZfCP. 4, 48 ff. Erste Ausgabe von

Ascoli, Il Codice Irlandese dell’Am­brosiana. Vol. I, 1878 (= Archivio Glotto­logico Italiano, Vol. V). Abdruck genau nach der Hand­schrift.

Dann: Thes. I, 7 ff.

[ 6 ]7. Diese Denkmäler werden durch eine Reihe von kleineren ergänzt; darunter sind nament­lich zu nennen:

3. Arm. Das Buch von Armagh in Irland, zum Teil im Jahr 807 ge­schrieben, jeden­falls vor 846, wo der Schreiber der Hand­schrift gestorben ist. Von Irischem enthält es:

a) Kurze Glossen zum lateinischen Text der Evangelien und der Apostel­geschich­te (Thes. I, 494 ff.).

b) Irische Nachträge zu Tirechans lateini­schen Notizen zum Leben des heiligen Patricius (Thes. II, 238 ff., vgl. 364 f.). Sie sind offenbar aus älteren Quellen ausge­zogen; daher schwankt die Schrei­bung zwischen altertüm­licher und späterer Gestalt.

4. Sg u. a. Eine Reihe von Handschriften mit Glossen zum Grammatiker Pris­cianus in Karlsruhe, Leyden, Mailand (Thes. II, 225 ff.), weitaus die reich­haltigste aber in St. Gallen (Sg). Die St. Galler Glossen, die häufig Ab­kürzungen zeigen, aber lexi­kalisch sehr wertvoll sind, sind bis auf ver­einzelte, später beige­fügte, von zwei Schrei­bern ge­schrieben, die aber dieselbe Vorlage kopierten. Die Hand­schrift scheint um 848 aufs Festland gekommen zu sein und war viel­leicht 845 ge­schrieben (s. Traube, O Roma nobilis; Güterbock, KZ 33, 92). Die Glossen waren aus verschie­denen Quellen kompi­liert, einzelne finden sich in den anderen Priscian­hand­schriften wieder; daher neben Sprach­formen, die jünger sind als die von Ml, auch manches Altertüm­liche.

Vgl. Nigra, Reliquie Celtiche 1872; zur Sprache Strachan ZfCP. 4, 470 ff. Erste voll­ständige Ausgabe von

Ascoli, Il Codice Irlandese dell’Ambrosiana. Vol. II, 1879 (= Archivio Glotto­logico Italiano, Vol. VI)

mit einer italienischen Übersetzung des Anfangs bis fol. 75a.

Dann: Thes. II, 49 ff.; die Randnoten II, XX f. u. 290.

5. Tur. Turiner Glossen zu zwei Fragmenten eines lateinischen Kommen­tars zum Markus-Evange­lium, etwa aus dem Anfang des 9. Jhs.

[ 7 ]Zuerst herausgegeben von

Nigra, Glossae Hibernicae ueteres codicis Taurinensis 1869 mit ausführ­lichem Kommentar. Dann mehrfach ver­öffent­licht, zuletzt

Thes. I, 484 ff.

6. SP. Handschrift (aus Reichenau) zu St. Paul in Kärnten, auf dem Festland von einem Iren nach der Mitte des 9. Jhs. ge­schrieben. Sie enthält einen Zauber­spruch und vier irische Gedichte in ziemlich später Sprach­form.

Vgl. Stern, ZfCP. 6, 546 ff. Letzte Ausgabe Thes. II, 293 ff.

Dazu kommen ein par Glossen zu Augustins Soliloquia und zu Bedas Schrift De rerum natura in Karlsruhe (Thes. II, 1 ff., 10 ff.), zu Beda De temporum ratione in Wien (Thes. II, 31 ff.) und einige andere.

8. Aus diesem Material ist unsere Grammatik hauptsächlich aufgebaut. Von Denk­mälern, die derselben Periode oder der unmittel­bar folgenden angehören, die aber erst in späteren Hand­schriften über­liefert sind, kommen nament­lich solche in Betracht, die sicher zu datieren sind und die poetische Form haben, weil Silben­zahl und Reim hier das Alte besser schützen oder leichter wieder­her­stellen lassen. Hier steht in erster Linie der

Félire (Heiligenkalender) von Oengus (Fél.), eine Auf­zählung der Heiligen jedes Tages in Versen mit Epilog und Prolog, gedichtet zwischen 797–808.

Zur Form der Reime s. Strachan, Rev. Celt. 20, 191 ff, 295 ff. Er ist zweimal von Stokes heraus­gegeben, zuerst in

The Transactions of the Royal Irish Academy, Irish manuscript series, Vol. I 1880.

Dann: The martyrology of Oengus the Culdee (Henry Bradshaw Society, Vol. XXIX) 1905.

Die erste Ausgabe gibt die Lesart der Handschriften, die zweite sucht die Sprache des Originals herzu­stellen. Beide mit engli­scher Über­setzung und voll­ständigem Glossar.

Die Gestalt der Sprache erinnert an die der Mailänder Glossen, die wir also, wenig­stens die uns vor­liegende Kopie, auch rund um 800 ansetzen dürfen. Ihr [ 8 ]Original wird etwas älter gewesen sein. Die Würz­burger Glossen würden dann etwa in die Mitte des 8. Jhs. gehören.

Dagegen der Saltair na Rann (Strophenpsalter), die biblische Geschichte in 150 Gedichten, im Jahr 987 verfaßt, zeigt schon einen ganz anderen Sprach­charakter und wird besser dem Mittel­irischen zuge­rechnet.

Herausgegeben von Stokes in den Anecdota Oxoniensia, Mediaeval and modern series, Vol. I, Part. III (1883). Dazu Strachan, The verbal System of the Saltair na Rann (Trans­actions of the Philo­logical Society 1895–1898 p. 1 ff.).

Unsere Grammatik behandelt also im wesentlichen die Sprache des achten und der ersten Hälfte des neunten Jahr­hunderts.

9. Von den späteren großen Sammelhandschriften, die unter anderem die Texte der irischen Helden­sage enthalten, werden nament­lich die beiden ältesten in dieser Grammatik öfters zitiert:

LU. Leabhar na h‑Uidhre, ‘das Buch der dunkelgrauen [Kuh]’, rund um 1100 ge­schrieben, im Faksimile publi­ziert von der R. Irish Academy 1870.

LL. Leabhar Laighneach, ‘das Buch von Leinster’, großenteils um die Mitte des 12. Jhs. ge­schrieben. Faksimile der R. Ir. Academy 1880.

Andere sind mit vollem Titel angeführt.

Archaische Denkmäler.

10. Es gibt einige Sprachquellen, die älter sind als die Würz­burger Glossen. Sie fließen aber zu spärlich, als daß sie den damaligen grammati­schen Bau der Sprache rekon­struieren ließen, und gestatten nur in Einzel­heiten die ältere Gestalt zu erkennen. Ich zitiere solche Formen als archaisch (arch.). Es sind

1. Wb I, die erste Hand der Würzburger Glossen, s. § 5 (zusammen­gestellt bei Zimmer, Gloss. Hib. p. XIII u. Supplem. p. 6; Thes. I, p. XXIV).

[ 9 ]2. Cam. Eine Handschrift zu Cambrai, zwischen 763–790 geschrieben. Einige zwischen latei­nische ein­gestreute irische Sätze einer Homilie, von einem fest­ländi­schen, des Irischen un­kundigen Schreiber mit allen Lese­fehlern kopiert, zu denen die irische Schrift Anlaß gibt (Thes. II, 244 ff.).

3. Drei Handschriften zu Paris und Florenz mit ein par irischen Glossen zu Exzerpten aus den Scholien des Philar­gyrius zu Vergils Bucolica, alle von fest­ländi­schen Schrei­bern mit vielen Versehen kopiert (Thes. II, 46ff., 360 ff.).

4. Ein Turiner Blatt (Palimpsest) mit einzelnen Glossen zum zweiten Petrus-Brief (Thes. I, 713 f.).

5. Dazu die irischen Namen in älteren lateinischen Schriften (Thes. II, 259 ff.), nament­lich in den Notizen zum Leben des heil. Patricius von Muirchu maccu Machtheni und Tirechan, die im Buch von Armagh (§ 7,3) erhalten sind, ursprüng­lich am Ende des 7. Jhs. nieder­geschrie­ben; ferner in der Vita Columbae, die Adamnan zwischen 692–697 verfaßt hat, erhalten in einer vor 713 geschrie­benen Hand­schrift.

Diese archaischen Denkmäler gruppieren sich rund um 700 n. Chr.

Über ihre Sprache s. ZfCP. 1, 347 ff.; 3, 1 ff.

Inschriften.

11. Größtenteils älter als die archaischen Denkmäler sind eine Anzahl Grab­inschrif­ten in einem be­sonderen Alfabet, das im Mittelirischen ogom oder ogum, neuir. ogham genannt wird. Sie finden sich, etwa 300 an der Zahl, besonders in der südlichen Hälfte von Irland, ver­einzelt auch weiter ver­breitet; besonders wichtig sind einige zwanzig, die auf der engli­schen Insel, nament­lich in Wales und an­grenzen­den Gebieten gefunden sind, wo im 3. Jh. n. Chr. Süd-Iren festen Fuß gefaßt hatten. Denn unter ihnen sind die meisten Bilinguen, indem hier, auf römischem Gebiet, neben die Ogom­inschrift eine [ 10 ]lateini­sche gesetzt zu werden pflegte. Einige reichen sicher in die Zeit der Römer­herr­schaft hinauf (s. Academy 1896, p. 35), werden also etwa dem 4. Jh. angehören. Unter den irischen sind manche jünger, wie der Abfall der Endsilben zeigt.

12. Das Ogom-Alfabet war auch im Mittelalter noch bekannt und wurde gelegent­lich zu Rand­bemerkun­gen (z. B. in Sg) verwendet. Es besteht in 1–5 Kerben (wenn ge­schrieben, in kurzen Strichen) auf einer Mittel­linie für die fünf lateini­schen Vokale und in 1–5 Strichen, die links oder rechts von der Mittel­linie stehen oder sie kreuzen, für die Konso­nanten. Die Geltung ist nach mittel­alter­lichen Quellen folgende:

Das Zeichen f bedeutet auf den alten Inschriften noch oder v; es gibt anlautend und inlautend immer latein. V, nie F wieder. Das Zeichen für h ist bis jetzt erst auf jüngeren In­schriften gelesen, z überhaupt noch nicht sicher belegt.

Dazu kommen später Zusatzzeichen für Diftonge, schon in alter Zeit eines für lat. p, viel­leicht noch ein anderes, dessen Wert streitig ist.

13. Die Verwertung dieses an sich für die Sprachgeschichte wichtigen Materials wird aber durch dreierlei Umstände erschwert.

[ 11 ]1. Als Mittellinie wurde bei den Grabinschriften in der Regel eine Kante des Grab­pfeilers benützt, also der Teil, der der Ver­witterung am meisten ausgesetzt ist. So ist die Lesung, nament­lich der Vokale, meist sehr unsicher, und es ist eine große Selten­heit, daß zwei von einander un­abhängige Kopisten überein­stimmen.

2. Ein so praktisches Hilfsmittel ohne Zweifel der Erfinder des Ogom für des Schrei­bens un­gewohnte Hände zu bieten dachte, so schwer war es tat­sächlich zu handhaben. Denn jede Ver­zählung, jeder Strich zu wenig oder zu viel, jede Ver­wechslung von rechts und links ergibt sofort einen anderen Buch­staben. So wimmeln die Ogom-Notizen in den Hand­schriften von Verschrei­bungen. Und waren sie hier leicht nachträg­lich zu korri­gieren, so war dies auf den Steinen nicht so einfach, und nament­lich ist es nach Jahr­hunderten schwer zu erkennen.

3. Die Korrektur ist für uns um so schwieriger, als es sich fast ausschließlich um Namen handelt. Denn die gewöhn­liche Fassung besteht im Namen des Be­grabenen und seines Vaters im Genitiv, verbunden durch maqqi, maqi ‘des Sohns’ (gelegent­lich avi, avvi ‘des Großsohns’), z. B. Dalagni maqi Dali. In jüngeren irischen In­schriften steht manchmal davor anm, gleich späterem ainm ‘Name’. Es fehlt aber einst­weilen noch eine Sammlung des irischen Namen­materials, das die späteren Hand­schriften in großer Fülle bieten, und damit die Grundlage für Ogom-Lesungen. Auch haben sich die Sammler meist nicht genügend mit der alt­irischen Sprach­ge­schichte vertraut gemacht, um über Mögliches und Un­mögliches sicher urteilen zu können.

Aus diesen Gründen ist in unserer Grammatik diese Quelle wenig benutzt. Doch ist nicht zu zweifeln, daß sie sich einmal noch ergiebig erweisen wird, nament­lich für die Frage nach der Zeit der Umfärbung der Vokale (§ 69 ff.) und des sukzes­siven Vokal­schwunds (§ 87 f., § 102).

14. Eine vollständige Zusammenstellung des zu seiner Zeit bekannten Materials gibt

Brash, The Ogam inscribed monuments of the Gaedhil, 1879.

[ 12 ]Eine neue Sammlung hat begonnen

Macalister, Studies in Irish epigraphy, Part I–III, 1897–1907 (bis jetzt über 248 In­schriften).

Die Inschriften von Wales usw. sind immer noch am besten zusammen­gestellt bei John Rhys, Lectures on Welsh Philology, 2d ed. (1879), p. 272 ff.

15. Irische Inschriften im römischen Alfabet sind im Ganzen später. Doch reichen einige christ­liche Grab­inschrif­ten in frühe Zeit zurück.

Sie sind gesammelt von

Petrie, Christian Inscriptions in the Irish Language, edited by M. Stokes. 2 Bde. 1872–1878.

Auch Thes. II 286 ff.

Dialekte.

16. Die sprachlichen Unterschiede der altirischen Denkmäler sind fast alle rein zeitliche, in der Weiter­entwick­lung der Sprache be­gründete. Gleich­zeitige Ab­weichun­gen, die also dia­lektische Besonder­heiten er­schließen ließen, treten kaum zutage. Vgl. etwa den Super­lativ auf ‑imem (§ 372), der auf die Mailänder Glossen be­schränkt ist, oder die Ver­teilung der Formen der Präpo­sizion air- er- ir- aur- (§ 817), die jedoch keines­wegs streng durch­geführt ist. Es beruht das wohl nicht nur auf der Spärlich­keit der Quellen, sondern nament­lich darauf, daß in der litera­rischen Sprache eine Aus­gleichung und Mischung der Mundarten stattfand. Dazu haben gewiß schon in alter Zeit die von Ort zu Ort ziehenden Dichter, Sänger und Erzähler bei­getragen, die überall ver­standen sein wollten. Auch in den seit dem 6. Jh. auf­blühenden Klöstern, auf deren Insassen unsere Denkmäler zurück­gehen, stammten die Studien­meister aus ver­schiede­nen Gegenden Irlands.

[ 13 ]

Wichtigere Hilfsmittel.

I. Grammatiken.

17. 1. John O’Donovan, A grammar of the Irish language, 1845.

Eine neuirische Grammatik mit Rückblicken auf ältere Sprachdenkmäler.

2. Joh. Casp. Zeuss, Grammatica Celtica, 1853.

Das grundlegende Werk, in dem zuerst die älteste erreich­bare Gestalt aller kelti­schen Sprachen wissen­schaft­lich darge­stellt wurde. Durch­gehend ver­bessert und ergänzt in der

Editio altera, curavit H. Ebel, 1871.

Noch jetzt die reichste Materialsammlung. Dazu:

Güterbock u. Thurneysen, Indices glossarum et uoca­bulorum Hiber­nicorum quae in Gramma­ticae Celticae editione altera expla­nantur, 1881.

Im zweiten Teil Verzeichnis der in den irischen Teilen der Gr. C. erklärten Wörter. Ergänzt durch

Hogan, R. Irish Academy. Todd Lecture Series, Vol. IV (1892), 267 ff.

Irische Wörter, die in den andern Teilen der Gr. C. erwähnt oder in den irischen Teilen nur nebenbei zitiert werden.

Tourneur, Indices omnium vocabulorum linguae priscae Gallicae et vetustae Britan­nicae quae in Gramma­ticae Celticae editione altera expla­nantur (Archiv f. Celt. Lexico­graphie III, 109 ff.).

3. Windisch, Kurzgefaßte irische Grammatik mit Lese­stücken, 1879.

Praktische Einführung in die altirische Grammatik, ohne Scheidung der erst in späteren Hand­schriften auf­tauchen­den Formen.

4. Strachan, Selections from the Old Irish glosses with notes and vocab­ulary, 1904.

Sätze aus den Glossen, nach den Verbalformen geordnet, sehr praktisch zur Erlernung der alt­irischen Konju­gazion.

5. Strachan, Old Irish paradigms, 1905.

Streng altirische Paradigmen der Nominal- und Verbalflexion.

[ 14 ]6. Vendryes, Grammaire du Vieil-Irlandais (Phonétique – Morpho­logie – Syntaxe), 1908.

Vollständige altirische Grammatik.

II. Wörterbücher.

18. 1. Ein vollständiges Verzeichnis der in den oben genannten alt­irischen Denk­mälern vor­kommenden Wörter mit sämt­lichen Belegen unternahm

Ascoli, Glossario dell’ antico Irlandese.

Das Werk, 1907 abgeschlossen, ist unvollendet geblieben. Es ist nach Wurzeln an­geordnet und enthält die Anlauts­buchstaben a e i o u l r s f n m g ganz, von c nur ein par Artikel.

Zur Kenntnis des älteren irischen Wortschatzes dienen – außer Spezial­glossarien zu kleineren Text­ausgaben – vornehm­lich noch:

2. IT. Windisch, Irische Texte mit Wörterbuch, 1880.

Das Wörterbuch bringt außer den vollständigen Belegen der Wörter der dort veröffent­lichten Texte eine reiche Auswahl aus dem älteren irischen Sprachgut. Vgl. die Kritik von Zimmer, Keltische Studien I (1881).

Ferner Windischs Wörterverzeichnis in

Irische Texte, hgg. v. Stokes und Windisch, 3. Serie, 2. Heft (1897), p. 565 ff.

und in

Die altirische Heldensage Táin Bó Cúalnge, hgg. v. Windisch, 1905.

3. Atkinson, The passions and the homilies from Leabhar Breac: Text, trans­lation a. glossary 1887 (R. Irish Academy. Todd Lecture Series, Vol. II)

und: Ancient Laws of Ireland, Vol. VI (1901): Glossary to Volumes I—V.

Vollständige Wörterbücher zu den im Titel genannten Texten. Dazu Stokes, Trans­actions of the Philo­logical Society 1888–1890 p. 203 ff., und A Criticism to Dr. Atkinson’s Glossary to Vol. I–V of the Ancient Laws of Ireland, 1903.

4. Kuno Meyer, Contributions to Irish Lexicography (A–DNO), er­schienen im Archiv für Celtische Lexico­graphie I–III (1900–07); A–C auch selb­ständig als: Vol. I, Part. I (1906).

[ 15 ]Reiche Ergänzungen zu Windisch und Atkinson. Sie werden so nicht fort­gesetzt, sondern ver­schmolzen mit einem großen irischen Wörter­buch, das die K. Irische Akademie heraus­geben will.

5. Für das heutige Irisch sei genannt

Dinneen, Foclóir Gaedhilge agus Béarla. An Irish-English Diction­ary, 1904.

III. Etymologisches.

19. Erste wissenschaftliche Versuche einer etymolo­gischen Be­handlung keltis­cher Sprachen stellen dar:

Stokes, Urkeltischer Sprachschatz, übersetzt, über­arbeitet u. hgg. von Bezzen­berger, 1894 (= Fick, Verglei­chendes Wörter­buch der indo­germa­nischen Sprachen, 4. Aufl., 2. Teil).

Macbain, An etymological dictionary of the Gaelic language, 1896.

Vgl. dazu K. Meyer, ZfCP. 1, 357 ff.

V. Henry, Lexique étymologique des termes les plus usuels du breton moderne, 1900 (Biblio­thèque bretonne armori­caine, Fasc. III).

Über das Verhältnis der irischen Laute und Wort­formen zu denen der anderen indo­germa­nischen Sprachen handelt eingehend

Brugmann, Grundriß der vergleichenden Grammatik der indo­germa­nischen Sprachen. 2 Bde. u. Indices 1886–93; 2. Aufl. Bd. I u. II, 1, 1897–1906.

IV. Hauptsächliche Zeitschriften.

20. Rev. Celt. Revue Celtique, seit 1870, jetzt hgg. von d’Arbois de Jubain­ville.

ZfCP. Zeitschrift für celtische Philologie, hgg. von K. Meyer u. Stern, seit 1897.

Ériu, The Journal of the School of Irish Learning, Dublin, hgg. von K. Meyer (u. Strachan), seit 1904.