Wat sei alles maket/Dei Koornsäcke

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[016] Vor den Ammann un Rittergutsbesitter von Moppeln steint stramm, aberst vuller Upregunge un mit scheif taugekneupeten Rocke dei ole Gemeindedeener, Panner un Nachtwächter Jochen Kruiselkragen. En lütjen körten Knuttenbiuk is’t man. Seene krummen Beine steket in ebensau krummen Kamaschen, wo dei Strippen anne fehlet. Unner der Mütze hänget von einer Seete en Tost Haare weg. überhaupt suiht Kruiselkragen dafor, dat hei drei wichtige Ämter bekle’et, man en betten awweschawet iut. ügenblicklich is seene dicke ro’e Näse vor Angest en betten blag ’eworen; denn et kümmt nich faaken vor, dat ohne dei gestrenge Herr Ammann, seen oberste Befehlshaber, sau ärgerlich ankickt as vandage. „Hör Er mal, Krüselkragen“, seggt dei Ammann, „es sind mir von meinem Kornboden fünfzehn nagelneue Kornsäcke von der besten Sorte, gezeichnet Rittergut Moppeln, und zwar Nr. 1 bis 15 gestohlen worden. Es ist mir nicht um die Säcke zu tun, aber daß ich solch freches Diebesgesindel auf meinem Gute füttere, das ärgert mich!

Er bekommt von mir einen Taler und ’ne Flasche Doppelkümmel extra, wenn Er die Diebe her[017]auskriegt, so daß ich dieselben exemplarisch bestrafen kann. Und nun: Kehrt marsch! Bringe Er mir bald Bescheid!“ Kruiselkragen leggt dei Hand an seene woll all twintig Jahre ole Deinstmütze, stött mit’n Hinnergestell dei Dör up un rettereert sau glücklich na biuten. Da smitt hei seck aberst in’n Bostdauk un recket seck in dei Höchte; dat is hei seener dreidubbelten Würde schüllig. Sau lange het dei gestrenge Herr Ammann mit ohne seen Lewe noch nich ’eköhrt, un mu erst dei Belohnunge: en Daler un ’ne Pulle Dubbelkümmel! Dat Water löppt ’ne all in’n Miule tauhope, seene Näse beewert all orndlich na den Kümmel, denn dat hei dei Stehldeibe entdecket, dat is ohne sau klar as Bottermelk.

Un niu geiht dat Speejoneeren los. Nich alleene in Moppeln, nä, twei Stunne in’n Ümmekreise, bee allen Bäckers, in allen Möhlen krüppt hei herümmer, hei suiht faaken iut as sau’n swart un witten Slagboom. Hei slickt as’n Spörhund in allen Winkeln un Ecken herümmer, hei liuert hinner dei Fensterlahn, hei kickt dör alle Ritzen un Locker, hei steckt saugar seenen ro’en Zinken been Höker in dei Häringstunne un begrawwelt dei Kaffeesäcke, sau dat ’ne dei Höker iut’n Hiuse smitt. Dei Säcke fund hei aberst nich. Bee den Lumpenkeerl krüppte up’n Bodden un snüffelt twischen all den Lumpen herümmer. Da [018]kümmt dei Lumpensammlersche mit’n Besser), boket ’ne von hinnen wecke up dat Jack un schreet: „Wat spekeleerst diu ole Leesekentreer heer herümmer, diu wutt woll wat stehlen? Teuf, eck will deck!“ Dat Weef versteiht neinen Spaß, dat feuhlt iuse Fründ, un hei söcht öhr rasch iut’n ügen tau komen. In der Angest verfehlt hei aberst dei Ledder, bumms! liggt’e upper Schuindäle, dat hei grannöget. Et was taun Dullweeren, dei Koornsäcke het hei aberst wedder nich ’efunnen.

Mal suiht hei, dat der Kröppelschen öhr Junge ’ne nee’e linnene Boxe annehet. „Holt stopp“, denkt hei un fröggt: „Meen Junge, wo het deene Mutter dat Linnen tau der gladden Boxen kofft?“

Düt hört dei Kröppelsche: „Wat geiht deck dat an, diu ole versopene Duckmuiser von Nachtwächter! Hektor, pack en mal in seene Goosebeine!“ Hektor lett seck dat nich tweimal Seggen, hei packet Kruiselkragen in dei eine Kamasche. Dei will ’ne awslenkern, kümmt in’t Stolpern un fällt mit dei Näse in en Harkentinken, dat ’ne dat ro’e Sapp in’t Miul löppt, un Hektor is mit der Kamaschen ower alle Barge. Kruiselkragen wischet seck mit seenen Taschendauke, dei all lange neine Seepe seihen het, dat Blaut aw un steiht da as verhagelte Peterzillje, denn dei Koornsäcke fund hei wedder nich.

[019]Sau vergeiht mit seenen Seuken ’ne ganze Tect, un Ostern kümmt in’t Land. Alle gahet se in’t Naberdörp na’r Kerke, ok dei Ammann mit seener Fameelje.

Kruiselkragen settet seck seenen olen Felbelzilinner up, nümnit dat dicke Gesangbauk, wo all ’n paar Bläder riutesungen sind, unnern Arm un geiht ok in dei Kerke. Da settet hei seck seene grote Hoornbrille, wo dei eine Scheebe all inne Sprüngen is, up, nümmt dat Gesangbauk verkehrt vor dei Näse, denn lesen kann hei nich, un singet feste mehe. Andächtig is hei aberst nich, hei denkt an dei Koornsäcke, an den Daler un den Kümmel, un dabee drusselt hei in.

Na ’ner Teet da stött ’ne seen Naber in dei Rippen un seggt: „Kumm, Jochen, dei Kerke is iute.“ Se sind sau zeemlich dei testen. Alle gahet sei dei Dörpstrate hendal. Da kümmt mit’nmale en Aprilschiuer - en mächtigen Platzregen. Dei Friunsluie, dei neinen Schirm hewwet, trecket seck Öhre Klceder owern Kopp. Da bliwt Kruiselkragen up einmal stahn. Hei ritt seene lütjen Sweeneogen nochmal sau grot open, seene Näse fanget an tau Richten wee sauen Karfunkelstein: Wat suiht hei bee den Weebern, wo hei hinnerher geiht? Up den greesen linnenen Unnerröcken steiht hinnen tau lesen: Rittergut Moppeln Nr. 1, Rittergut Moppeln Nr. 5, Rittergut Moppeln [020]Nr. 8 usw. Kruiselkragen kennt dei Friunsluie alle, dei Lumpensammlersche un dei Kröppelsche sind ok mehe dabee. Da jiubelt hei in stillen: „Niu is’t aberst Teet - niu schöllt je mal’n Leesekentreer un’n versopenen Duckmuiser kennen leeren!“ Hei maket mit seenen dünnen Beinen en Sprung dör dei Luft, kippt vorn na’n Ammann, tippt ’ne up dei Schulder un seggt: „Herr Ammann, eck hewwe se, eck hewwe dei Koornsäcke, bleiben Sie mal’n bischen taurügge, aberst dat neiner wat merket!“ De Ammann suiht dei Bescheerunge, holt seck’n Biuk vor Lachen un seggt: „Alter Ben Akiba, du hast doch Unrecht, so etwas ist noch nicht dagewesen! Krüselkragen, schicke Er mir die Weiber, so wie sie da sind, sofort von hier auf die Amtsstube; dann ruft Er mein sämtliches Personal auch dorthin. Das Weitere findet sich.“

Kruiselkragen slickt seck vuller Freude an dei Friunsluie ran un richtet den Befehl iut. Denn löppt hei na seener Friue un tustert: „Katreene, kumm gleek up dei Amtsstiube, et is huite en Glücksdag for meck, den moßte midde erleben!“ Et diuert ok nich lange, sau sind se alle versammelt, alle sind höllisch gespannt, denn neiner weit, wo’t seck ümme handelt.

Da kümmt dei Ammann herin, lett seck dei Friunsluie in eine Reege stelln un fröggt: „Was [021]verdienen solche Leute, die am heiligen Ostertag die Frechheit besitzen, mit gestohlenen Sachen in die Kirche zu gehen?“ Da brüllt Kruiselkragen vuller Wonne: „’ne orndliche Dracht Släge un denn brummen!“ „Nein“, seggt dei Ammann, „sie sollen öffentlich an den Pranger gestellt und blamiert werden. Ihr Frauen, zieht mal eure Kleider aus!“ Da geiht den Weebern ’ne Tranfunzel up. Sei stahet da as Botter an der Sunne, vor Angest kann seck neine reugen.

„Na, wird’s bald? Krüselkragen, helfe Er mal mit ausziehen!“ Düt leit hei seck nich tweimal seggen, saune Arbeit harre hei noch nich ’emaket. Et diuere ok nich lange, sau stünnen sei in öhren linnenen Unnerröcken da un präsenteeren seck mit den numereerten Hinnergestellen: Rittergut Moppeln Nr. 1 usw. „Diese Spitzbubenbande hat bei mir jahrelang ihr Brot verdient und bestiehlt mich nun so schamlos! Doch halt! SackNr. 7 fehlt noch.“ Da fällt seen Blick up Katreene Kruiselkragen: „Frau Krüselkragen, das Kleid abgezogen!“ Katreene steiht da, as wenn se einen mit der Holtslage vor’n Kopp ’ekreegen het. „Na, wird’s bald? Krüselkragen, helfe Er seiner Frau!“ Dei reuge seck nich, hei scheene ganz dumm ’eworen tau seen, hei stund da as sauen Hucken Unglücke. Aberst dei Kröppelsche un dei Lumpensammlersche packen tau, un [022]in Ogenblicke stund Katreene in’n Unnerrock Nr. 7 da. „Das ist eine nette Gesellschaft! Marsch mit euren Kleidern ins Nebenzimmer, die Säcke ausgezogen, und wer sich wieder auf meinem Gute sehen läßt, da lasse ich die Hunde auf hetzen!“

Aberst niu dei Wim up Kruiselkragen von dei Weeber, dei Gesichter, dei se trocken! Dei Lumpensammlersche knirsche Öhre drei Tähne, dei se noch harre, uppenanner un kreesche: „O, diu scheifbeinige Hund, eck schreebe deck dei Koornsäcke in deen schäbische Gesichte!“ Dei Kröppelsche zische: „Wanne! Wanne! Fatet deck meen Hektor, denn schall hei deck bee labendigen Baste upfräten!“

Katreene Kruiselkragen recke öhre dünnen Arme in dei Höchte, make öhre langen Finger krumm un sä bloß: „Kruiselkragen! - Kruiselkragen! An deenen Glücksdag schaste noch lange wat an tau knabbern hewwen!“