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«Heimat» oder «Volk» entschieden sich rund 86% der Südtiroler Bevölkerung, rund 190’000 - 200’000 Personen, für die deutsche Staatsbürgerschaft. Noch im Herbst 1939 begannen erste Einzelumsiedlungen, verstärkt durch organisierte Massenumsiedlungen ab dem Jahre 1940. Bereits ab 1941 waren die Umsiedlungen rückläufig, ehe sie im September 1943, dem Zeitpunkt des deutschen Einmarsches in Italien - vorübergehend, wie es hiess - eingestellt wurden. Im Laufe dieser 4 Jahren siedelten rund 76’000 SüdtirolerInnen ins Reich, in erster Linie sozial schwächer gestellte beziehungsweise besitzlose SüdtirolerInnen, darüber hinaus aber auch ahlreiche SüdtirolerInnen, welche durch die Umsiedlung einen sozialen Aufstieg anstrebten.Die Ansiedlung erfolgte verstreut, vorwiegend in den Gebieten des heutigen Öster- reichs - und hier vor allem in Tirol und Vorarlberg - und in Süddeutschland, vereinzelt auch in Luxemburg, im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren und im heutigen Gebiet Sloweniens.

Nach Kriegsende ermöglichte das sogenannte Optantendekret von 1948 das Wiederansuchen um die italienische Staatsbürgerschaft, für die Umsiedlerinnen verbunden mit der Möglichkeit zur Rücksiedlung. Letztere wurde - aus verschiedensten Gründen - nur von den wenigsten in Angriff genommen. Insgesamt siedelten ab 1943, dem deutschen Einmarsch in Italien, zunächst illegal, ab 1948 legal zwischen 15’000 und 25’000 Personen nach Südtirol zurück.[20] Der überwiegende Rest lebt heute noch in den Gebieten Österreichs.


EIN FALLBEISPIEL

Antonia O. ist eine von diesen. Sie wurde noch vor dem Ersten Weltkrieg im italienischsprachigen Trentino geboren. Anfang der 1930er Jahre kam sie nach Südtirol, wo sie in verschiedenen Orten als öffentliche Bedienstete - also für die faschistischen Machthaber - tätig war. In einer Südtiroler Kleinstadt lernte sie ihren späteren Ehemann kennen, welcher, obwohl aus deutschsprachiger Familie stammend, ebenfalls für die Faschisten arbeitete. Im Jahre 1937 wurde das erste Kind geboren, noch bevor das Paar im November 1939[21] heiratete. 1939 erfolgte auch die Option für Deutschland, gefolgt von der Umsiedlung in die «Ostmark» im September 1940. Der Ehemann erhielt sofort eine Stelle als Beamter - war nunmehr für die Nationalsozialisten tätig - ehe er 1941 zur Wehrmacht eingezogen wurde. 1945, kurz vor

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HISTOIRE DES ALPES - STORIA DELLE ALPI - GESCHICHTE DER ALPEN 1998/3