weder dem Inhalte noch dem Tone nach als poetische Wiedergabe der alten irischen Sage gelten.
Allein die metrische Form fehlt der alten irischen Sage nicht gänzlich: inmitten der Prosaerzählung tauchen Dialoge und lyrische Monologe in Versen auf; eine für die Geschichte des Epos gewiss nicht unwichtige Thatsache. Diese Verse werden den Personen der Sage selbst in den Mund gelegt, als wären sie die Dichter (vgl. z. B. Cap. 17 unserer Sage u. ö.). Ich vermuthe, dass Oisin (Ossian) auf diesem Wege zu einer Dichtergestalt geworden ist. Die Gedichte, die ihm in der Sage in den Mund gelegt werden, galten als sein Work und wurden allmählig zum Typus einer ganzen Literaturgattung. Die ältesten Gedichte der Art gehören gewiss an eine bestimmte Stelle der fixirten Sage; ohne Kenntniss der ganzen Sage sind sie stellenweise unverständlich. Ich theile weiter unten zwei einzelne solche Gedichte mit, die sich im Book of Leinster befinden, und von denen das eine dem Oisin, das andere seinem Vater Finn mac Cumaill zugeschrieben wird.
Ein Kunststück der zünftigen Dichter und Gelehrten am Hofe der Könige bestand ausserdem darin, den Inhalt einer Sage so kurz als möglich in metrischer Form zusammenzufassen. Derartige Verse sind besonders schwer zu verstehen (vgl. das S. 25 über Broccan’s Hymnus Bemerkte). Auch sie finden sich nicht selten der Sage einverleibt oder am Ende zugefügt (vgl. z. B. das Gedicht am Ende der unter III mitgetheilten Sage).
5. Der Inhalt unserer Sage ist kurz der folgende:
Fedlimid, der Erzähler am Hofe Conchobars, des Königs von Ulster, hat ein Fest veranstaltet. Sein Weib ist schwanger. Als sie durch das Haus geht, um sich zur Ruhe zu begeben, schreit das Kind in ihrem Leibe laut auf. Alle Gäste sind entsetzt, der Druide Cathbad wird um Deutung des Wunders befragt. Cathbad prophezeit, Fedlimid’s Weib werde ein Kind gebären, das einst, wenn zum schönsten Weibe herangewachsen, grosses Unheil über Ulster bringen werde. Derdriu soll ihr