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II Longes mac n-Usnig.

den Einfluss des Christen­thums muss man zurück­führen, dass das speci­fisch Heid­nische in der irischen Sage ver­dunkelt und in den Hinter­grund getreten ist. Doch giebt es noch viele Sagen mit offenbar mytholo­gischem Inhalte. Die christ­lichen Mönche sind gewiss nicht die ersten gewesen, welche die alte Sage fixirten, sie haben sie aber später getreu­lich abge­schrieben und fort­gepflanzt, nachdem Irland zum Christen­thum bekehrt war. Denn der Schreiber des Lebor na hUidre war ein armer Mönch, und der des Book of Leinster gar ein Bischof (vgl. O’Curry Lect. p. 182 ff.). In viel­facher Beziehung merk­würdig ist das mönchi­sche Urtheil über die berühm­teste irische Sage, den Táin Bó Cualgne (Raub der Rinder von Cualgne), welches sich am Ende des einzigen voll­ständigen Exemplars derselben im Book of Leinster (1. Hälfte des 12. Jahrh.) findet: Sed ego qui scripsi hanc historiam an verius fabulam, quibusdam fidem in hac historia an fabula non accomodo. Quaedam nam ibi sunt per strigia demonum, quaedam autem figmenta poetica, quaedam similia vero, quaedam non, quaedam ad delecta­tionem stultorum.

5. Was die äussere Form der alten irischen Sage anlangt, so sind die er­zählenden Theile derselben stets in Prosa, und zwar ist die Prosa um so schlich­ter und einfacher, je älter die Form der Sage und die Hand­schrift ist. Erst in den späteren Formen der Sage und in späteren Hand­schriften tritt uns jene schwül­stige Prosa entgegen, die, mit dem Rüstzeug der Poesie angethan, bei jedem Schritte so ent­setzlich mit demselben rasselt, dass man allen Geschmack an dem schönen Princip der Allite­ration verlieren könnte. Die Wichtig­keit der alten irischen Sage im All­gemeinen liegt darin, dass uns die Sage hier in der natür­lichen Form vorliegt, welche der dichteri­schen Be­handlung im Einzelnen und der Zusammen­fassung zu grossen dichteri­schen Ganzen voraus­geht. Woher mag es kommen, dass diese Fülle von Sagen mit interes­santen Hand­lungen, maleri­schen Schilde­rungen, scharf ausge­prägten Charak­teren, nie ihren Homer gefunden hat? Mac­pherson’s Ossiani­sche Gedichte können