Page:H.M. Venus.djvu/310

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Gesicht dieser Frau, die ihnen noch eben Scheu und Begierde eingeflößt hatte, war jäh ausgewechselt gegen die verfallene Maske einer ohnmächtigen Verlebten. Rustschuk heulte rauh auf. Der aufgebrachte Priester verfiel ohne Übergang in Weihe. Er nahm ihre Hand, er fand sie eisig und einen kleinen fadenförmigen Puls an ihr, der aussetzte.

„Meine Tochter, verzage nicht. Die Barmherzigkeit wacht über dir. Siehe, der Tod naht dir als Erlöser.“

Sie schien zu erwachen; das Leben trat hinter ihr Gesicht wie eine Flamme.

„Nicht als Erlöser,“ sagte sie undeutlich.

Sie wollte ihn nicht als Erlöser, nein, als Geliebten — ihn, die letzte Verwandlung ihres Lebens, in der Vollkraft seiner Schmerzen!.. Sie wand sich auf dem Rücken hin und her, sie kämpfte vergebens um ein Wort. Sie fühlte den ganzen Mut ihrer Seele auf ihre Lippen stürzen. Und ihren tiefen Qualen entstieg, unhörbar, aber blitzend wie Vogelflug aus der Nacht von Klüften, ein äußerstes Bekenntnis zu dem großen Leben und seiner Unerbittlichkeit.

„Sagten Hoheit etwas?“ fragte Tamburini.

Plötzlich riß sie die Decken von sich, rang sich empor, machte zwei Schritte, schrie laut auf. Der Schmerz entrückte sie. Sie legte sich mit der Herzgrube auf eine Stuhllehne. Gleich darauf stand sie, steil aufgerichtet, und als ob sie lauschte. Ihr Gesicht färbte sich bläulich. Dann begann sie zu keuchen; der Atem kehrte wieder. In der Minute als er aus-

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