Page:H.M. Venus.djvu/302

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Leiden bekannt sein; sonst vermiede es Sie auch in dieser Stunde … Ermüde ich Sie?“ fragte er sehr zart. Sie antwortete freundlich, obwohl eine Angst sie folterte:

„Nein, nein.“

Er sprach noch eine Zeit lang, ganz leise und mit gesenkten Lidern, von ihrem Tode, der sie läutere und verkläre. Sie meinte fast, ihr Tod verbessere zunächst ihn selbst. Er war ruhiger als ehemals, ohne ungesundes Kreischen der Gefühle. Die Hand, mit der er von ihr Abschied nahm, war nicht heiß. Er bat wiederkommen zu dürfen; sie hatte nichts dagegen.

Sie fand, als er weg war, christliche Büchlein auf ihrem Tisch und wendete ein paar Blätter um. Etwas Unbestimmtes hatte ihr wohlgethan, war wie ein nun verbotener Wohlgeruch von früher, ziemlich fade fchon, bis in ihr Krankenzimmer gedrungen. Es war Liebe, wenn noch so wenig. Dieser Schwache hatte sich aufrichtig in sie verliebt, das war es. Jetzt endlich, da sie starb, fühlte er sich ihr nahe genug: er, deffen Dafein ein langes Sterben war.

Sie hörte kein Wagenrasseln unter ihrem Fenster, und sie erfuhr, das Volk selbst trage Stroh herbei. Am Abend gelangte sanftes Gezirp von Guitarren zu ihr. Sie lächelte:

„Nun lieben Sie mich. Wenn ich tot bin, werden sie weinen. „Die Arme,“ werden sie sagen, denn so nennen sie die Toten. Wie müssen Sie froh sein, mich einmal bemitleiden zu dürfen — dieses eine, unvermeidliche Mal.“

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