Page:H.M. Venus.djvu/246

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stelei einer wächsernen Frucht; und die enge, schwarze, schmerzliche Querfalte des sehnsüchtig gebogenen, fettweißenHalses — alles schillerte und beunruhigte wie Fäulnis, färbte sich prunkend und verdächtig wie Ölflecken im toten Waffer, glomm und verführte wie Irrlichter auf tiefen Mooren, rührte, ängstigte und bezauberte wie das bunte, hastige Flügelschlagen eines verscheidenden Schmetterlings.

Sie sah sich mit einer Frage in die Augen. Es waren unter ihren hohen, schwarzen Brauen noch dieselben Augen; ihr Blick fand den Weg fernher, von stahlblauen Meeren. Aber es zitterte vor ihnen ein Glanz von Hingerissenheit und Angst. Sie, waren Zuschauer dieses Leibes, des weißen Leichenfeldes immer neuer Lüste, die auf ihm entbrannten und erstarben.

Und dann antwortete sie ihren Augen.

„Es handelt sich darum, eine halb erhobene Gebürde ganz ausschwingen zu lassen, einen fast schon fertigen Vers zu Ende zu sprechen.“

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Sie trug, wie der Sommer vorschritt, an einer nie gekannten Müdigkeit. Keine Abendluft erfrifchte sie mehr; sie versäumte den Genuß der reinen, win digen Frühe. Drunten am Meer war alles hell, heiter, voll Bewegung und Mut, jeden Morgen wieder. Auf ihr brütete ein ewiger Mittag. Sie meinte in eine Wüste verbannt zu sein. Der Sand drang ihr durch die Poren ins Blut; er schob sich träge durch ihre

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