Page:H.M. Venus.djvu/193

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fahren. Es war nicht weit, aber bei der Ankunft keuchte Nino: er hatte in den ersten zehn Minuten seine Kraft ausgegeben, ohne sich träumen zu lassen, sie könne je enden. Im Orte verschwand er und kam wieder zum Vorschein mit Kleidern sür die Geliebte. Woher er sie hatte? Es war sehr geheimnisvoll; er raunte allerlei. Dann fuhren sie nach Neapel, in heimlicher Nacht und dicht, dicht zusammengedrängt auf dem rafselnden, mit Stroh bedeckten Wägelchen. Nino wiederholte hundertmal: „Yolla!“ Er sagte es ihrem Halse und ihrem Munde, ihrer Brust und ihrem Haar — und kindlich dazwischen und voll tiefer Überzeugung:

„Ich bin im Paradiese!“

„Bin ich denn schon tot?“ fragte er, die Hand an den Augen. Gleich darauf platzte er aus:

„Das hat ja unser Direktor gesagt! Wir trugen ihn einmal nachts mitsamt seinem Bett in den Korridoren umher. Wir hatten uns vermummt und hielten in den Händen lange Kerzen. Plötzlich wacht er auf und fragt ganz blaß: ,Bin ich denn fchon tot‘?“

Am Morgen, in der Bahn, auf der Fahrt nach Salerno, erinnerte er sie an jedes Wort, das sie in der Nacht gesprochen hatten; und zugleich glänzte sein Blick in ihr Auge hinein den Gedanken an jede Liebkosung, die von dem Wort begleitet war. Sie erregten sich aus vorzeitiger Furcht, das alles könnte einmal zur geglätteten Erinnerung werden. Es sollte stürmische Gegenwart bleiben! Diese erste Nacht würden sie zu dauern zwingen, ihr Lebenlang zu dauern!

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