Page:H.M. Venus.djvu/117

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„O, schmeicheln! Wozu schmeicheln, wenn man selber zu eingebildet ist, um gut beurteilt werden zu wollen! … Unter Ihrem Bilde, Herzogin, sah ich seit zehn, zwölf Jahren meine jungen Heidinnen, meine zerbrechlichen Tanagrafigürchen — schon damals, als sie noch ungekannt in meiner Dachkammer standen. Ich wußte von Ihnen als von der großen Freiheitsdurstigen. Dann waren Sie eines Tages die unmögliche Schönheitssüchtige. Sie sind seitdem die Wollüstige geworden, die in meinen Büchern wimmert und kreischt, und der ich meinen Ruhm verdanke.“

Dies deklamierte er, unerbittlich, mit steifer Geste.

„Nun sehe ich Ihnen täglich ins Gesicht und finde täglich ein anderes. Sie sind sehr gütig, Sie sind frivol, Sie sind grausam und achtlos, oder übermütig, von reiner Heiterkeit oder weich bis zur Wehmut. Sie erschrecken tödlich den Nustschuk aus der reinen Höhe Ihres unsterblichen Freiheitstraumes. Sie stacheln und verhöhnen ihn, den armen König Phili trösten und verschonen Sie. Sie sind der leichte Geist, der mit diesen armen, wahllosen Leibern spielt … Plötzlich schluchzen Sie mitten im wollüstigsten Walzer wie ein gedankenloser Akkord … Mit Lilian fühlen Sie Empörung, mit Vinon Lust. Sie sind Vinon und Lilian und alles übrige. Ich habe Ihnen schon gesagt, was alles man sein müßte, um Ihnen zu genügen … Betrachten Sie sich in den Spiegeln — zählen Sie sich!“

Die Spiegel sandten sich hundertfältig ihr Bild zu. Von vorn oder mit schimmerndem Nacken, sinnen

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