Page:H.M. Professor Unrat.djvu/213

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vor Gericht erzählt hab’, das war ja tatsächlich alles. Gott is mein Zeuge, hätt’ ich fast gesagt, obschon das einem auch nischt hilft. Du kannst mir aber glauben.“

„Mag’s denn sein,“ wiederholte er. Und in dem Bedürfnis, sich ihr näher zu bringen durch Klärung und Zusammenfassung der Vorgänge:

„Es ist mir — traun fürwahr — recht wohl bekannt, daß die sogenannte Sittlichkeit in den meisten Fällen auf das innigste mit Dummheit verknüpft ist. Hieran kann höchstens der nicht humanistisch Gebildete zweifeln. Immerhin ist die Sittlichkeit von Vorteil für den, der, sie nicht besitzend, über die, welche ihrer nicht entraten können, leicht die Herrschaft erlangt. Es ließe sich sogar behaupten und nachweisen, daß von den Untertanenseelen die sogenannte Sittlichkeit strenge zu fordern sei. Diese Forderung hat mich indes — aufgemerkt nun also! — niemals dazu verleitet, zu erkennen, daß es andere Lebenskreise geben mag mit Sittengeboten, die von denen des gemeinen Philisters sich wesentlich unterscheiden.“

Sie lauschte angestrengt und verwundert.

„Ach nee. Wo sind denn die. Is das kein Schwindel?“

„Ich selbst,“ fuhr Unrat fort, „habe mich persönlich stets an den sittlichen Gepflogenheiten des Philisters beteiligt: nicht, weil ich ihnen Wert beigemessen oder mich an sie gebunden erachtet hätte, sondern weil ich — vorwärts, immer mal wieder! — keinen Anlaß traf, mich von ihnen zu trennen.“

Er mußte sich im Sprechen selber anfeuern, so

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