Page:H.M. Professor Unrat.djvu/214

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stockend und von Farbe und Kraftlosigkeit des heftigsten Schamgefühls befallen, brachte er seine kühne Lebensauffassung zum Vorschein.

Sie bewunderte seine Rede und fühlte sich geschmeichelt, weil er sie ihr, nur ihr zum Besten gab. Als er noch hinzusetzte:

„Von dir dagegen habe ich, ich kann nicht umhin, dies festzustellen, zu keiner Zeit einen dem meinigen verwandten Lebenswandel erwartet,“

— da schnitt sie ihm vor Überraschung und Rührung eine Fratze und küßte ihn. Sie ließ kaum seinen Mund los, und er erläuterte schon wieder:

„Was jedoch nicht verhinderte —“

„Na was denn? Was verhinderte es denn nich, Unratchen?“

„— daß meine zu dir gefaßte Zuneigung mir das Ertragen der dem Grundsatze nach zu billigenden Dinge in diesem konkreten Falle erheblich erschwert hat, ja, daß diese Dinge mir zum Schmerze gereicht haben.“

Sie erriet ungefähr, und hielt ihm ein schmeichlerisch-schiefes Köpfchen hin.

„Denn ich erachte dich für eine solche, deren teilhaftig zu werden nicht so leicht einer verdient.“

Sie ward ernst und nachdenklich.

Unrat beschied sich.

„Mag’s denn sein.“

Aber dann, hervorgestoßen, unter dem Ansturm einer schrecklichen Erinnerung:

„Nur einen gibt es, den könnte ich dir nie ver-

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