Page:H.M. Minerva.djvu/313

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Sie deuchte dem Knaben weiß — weiß, wie er sich nie einen Frauenleib vorgestellt hatte; aber nicht einem Marmor gleich, nein, eher vom Schimmer einer Blüte. Ihre Knöchel lugten, feine, blasse Blumen, durch das Gitter des Grases. Und der Erde entstiegen war sie ganz. Sie war eine Schwester der Bäume ringsumher. Die Sträucher griffen nach ihr mit ausgeschossenen Zweigen, und glätteten, mit langsamer Liebkosung, die langen Rundungen ihrer Schenkel. Der Himmel umhüllte ihr Gesicht, er wollte es entführen. Sein Blau brach, als siegreicher Widerschein, aus der Nacht ihres Haares. Ihren Arm sprenkelte, klar umrissen, ein Blätterschatten, und darauf das Abbild eines hüpfenden Vögelchens. Ihren Brüsten, spitz schwellenden, seltenen Kelchen, hatte die reiche Erde das Fest ihrer Säfte geweiht, und die Sonne trug sie, rund und kostbar eingefaßt in goldene Reifen.

„Der Akt steht nicht,“ murmelte Jakobus, murrend. Er pinselte, als ob er Hiebe verteilte. „Übrigens interessiert er mich nicht.“

„Sie sehen,“ sagte die Herzogin, „ich bin nicht Ihre Venus.“

Er schwieg und dachte: „Am Sterbebett des Alten warst du’s doch. Ich fing an die Venus in dir zu sehen. Jetzt zieht sie sich zurück, in dich hinein, je näher ich dir komme. Werde ich sie fassen, wenn ich dich in den Armen halte? Wie habe ich es nötig, daran zu glauben!…“

Er sagte:

„Sie sind nicht Venus? Dies ist nicht die Art,

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