Page:H.M. Minerva.djvu/286

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Ich. Da liegt nun Ihre Naivetät: an dem Interesse, das Ihr Ich erregen muß, kommt Ihnen nie ein Zweifel. Sehr mit Unrecht, denn Sie sind gar nicht interessant. Nun wundern Sie sich mal!“

Darauf drehte er ihm den Rücken zu, — und Siebelind wunderte sich. Allmählich ward ihm ganz heiß, und er bekam Lust, umherzustampfen und zu zetern: „Ich soll nicht interessant sein? Ich soll nicht interessant sein?“

∗             ∗

Jakobus folgte einem Wink der Herzogin. Er beugte sich über ihren Sessel.

„Also weil sonst die Blätter abfallen —“ sagte sie. Er verstand sofort.

„Sie müssen hinzufügen: auch Ihre eigenen Blätter könnten welk werden.“

„Wie unhöflich!“

„Es handelt sich nicht um Höflichkeit. Jetzt, in dieser Minute, sind Sie Venus, reif und glatt. Ihre Schönheit kann nicht mehr zunehmen und nimmt noch nicht ab. Es ist der Augenblick, der nicht wiederkehrt. Und auch mein Augenblick ist einzig; nur in ihm lebt das Werk, und es würde mit ihm sterben. An jedem Ziel unseres Lebens treffen wir ja zusammen. Es haben sicherlich nie zwei Menschen so, in diesem sonderbaren Sinne, zusammengehört, Herzogin, wie wir. Wie mächtig ich das fühle! Wir sind dazu geschaffen, uns gegenseitig zu erheben, uns seltener, herrlicher zu machen, uns die Leichtigkeit der Vollendung

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