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Page:H.M. Im Schlaraffenland.djvu/456

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gegen mich daher rühren könnte, daß er alle Wärme einer andern giebt — das ist mir niemals eingefallen. Es ist unbegreiflich.“

Sie ging zum Spiegel.

„Er hat ja ganz recht, ich darf mich nur abends zeigen. Mit ziemlich viel sau äs Is kann es bei Kerzenlicht noch gehen, oder vielleicht bald auch das nicht mehr. Übrigens ist es jetzt gleichgültig, was will ich noch?“

Beim Verlassen des Zimmers ward sie von seinem gedämpften Gelächter verfolgt und von den gellenden Kehltönen der andern. Wie viel Heiterkeit hatte ihr Opfer erregt, ihr letztes, durch das sie ihn sich zu retten hoffte! Draußen im Flur machte sie eine Wahrnehmung.

„Ich zittere ja an allen Gliedern. Ich muß mich ausruhen, aber wo?“

Gegenüber, im ersten Stock, bemerkte sie an einem Fenster einige verstaubte Haubenstöcke. Die Putzmacherin, eine bekümmerte Person ohne erkennbares Alter, sagte sich beim Anblick der unerwarteten Kundin, daß dieses Sommerkostüm, falls es billig berechnet worden sei, etwa dreihundert Mark gekostet habe. Es war ein schlichtes grau leinenes Kleid. Graue Leinenspitze lag am Corsage über türkisblauer Seide; eine gefältelte Paße bedeckte Hals und Schultern. Der Hut aus schwarzem florentiner Stroh hatte Straußenfedern und eine gelbe Rose unter der Krämpe, hinten an dem dunkeln Haarknoten. Er flößte der Modistin Furcht ein.

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