Page:H.M. Im Schlaraffenland.djvu/146

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Frau Türkheimer verstummte. Andreas hatte eine Idee, eine weittragende Idee, die langsam in ihm reifte. Er war noch niemals zu einer Matinee ins Theater gegangen. Wie Adelheid vom Sonntag sprach, hörte er in der Ferne die Gumplacher Glocken läuten. Infolge einer natürlichen Gedankenverbindung sagte er sich, daß man am Sonntagvormittag eher in die Kirche pilgere, als zur Aufführung von „Rache!“.

Andreas war aufgeklärt, und uoch dazu so fanatisch aufgeklärt, wie man es nur in katholischen Ländern sein kann, wo noch zuweilen ein Luther aufsteht. Seit seiner Firmung hatte er kaum noch eine Messe gehört, aber er fühlte doch, daß er hier in eine Welt eingetreten war, der die religiösen Gewohnheiten noch beträchtlich ferner lagen als ihm selbst. Es war seine Aufgabe, diese Leute durch seine ältere Kultur, als Rheinländer zu verblüffen, das hatte schon Köpf behauptet. Aber an den Katholizismus hatte er nicht gedacht, dieser war Andreas’ eigenster Genieblitz. Nichts konnte in Berlin >V unerhörter anmuten als ein strenggläubiger, praktizierender Katholik. Andreas brauchte nur die eingeschüchterte, fast ehrfürchtige Miene der Frau Generalkonsul Türkheimer zu betrachten, um zu erkennen, daß seine Marotte, die zu seinem Fortkommen so wichtige Marotte nun gefunden sei. Es war für jemand, der sich auszuzeichnen wünschte, dringend erforderlich, eine kleine Eigenheit anzulegen, die zwar nicht von allen ernst genommen ward, aber doch den Leuten zu denken gab, und die dem Neuling den Stempel der Persönlichkeit aufdrückte. Andreas fchmeichelte sich,

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