Page:H.M. Flöten und Dolche.djvu/91

From Wikisource
Jump to navigation Jump to search
This page has been proofread.

hatte sie retten wollen, und auf sich selbst gezielt. Da lag nun sie…

Er bückte sich nach dem Dolch. Die Augen in ihrem zuckenden Gesicht folgten ihm.

Nein! Wenn er’s auch tat — er starb doch nicht mit ihr. Es war ein zu ungleiches Sterben. Ihr Tod war etwas Einfaches, Leichtes. Sie starb als Kind. Was wußte sie. Woran hatte sie je gezweifelt. Welche Enttäuschungen hatten sie an das Leben schmerzlich festgebunden? Sie war auf der Erde erschienen zum Dienst einer einzigen Leidenschaft. All ihr voriges Leben, ihre kurzen Jahre, hatten wie eine kurze, gerade Allee, an deren Ende eine Herme steht, auf ihn zugeführt, auf ihn und auf jene Mondnacht, als sie ihm in die Arme stürzte. Zwischen jener Mondnacht und dieser, in der sie starb, lag alles was ihr Sinn gab, alles was sie fühlen konnte — lag sie ganz. Wenn sie nun starb, mit ihm starb, hinterließ sie nichts, hatte sie nichts zu bereuen.

Aber er — o, er! Er war in dieser Minute aus einem wilden, zugewachsenen Garten herausgebrochen und sah wieder die weite Welt daliegen. Was gab es zu genießen an Lüsten,

85