Page:H.M. Die kleine Stadt.djvu/151

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Die beiden enthüllten der linken Galerie die Skandale der Stadt. Felicetta durfte nicht mehr wissen, als die Vertraute der Unsichtbaren, die alles wußte; und wenn Felicetta mit einer Geschichte kam, erwiderte Pomponia mit zwei. Die Frau des Schneiders Chiaralunzi saß ohne Scham auf einem Sessel, und doch hatte sie ihn nur bekommen, weil ihr Mann der Liebhaber der Komödiantin war, die bei ihnen wohnte. Der Baron Torroni tat wohl daran, seine Frau nicht mitzubringen, da seine Loge gleich neben der Bühne lag und er es sich gewiß nicht würde entgehen lassen, mit seiner Geliebten, jener anderen Komödiantin, Zeichen auszutauschen. Schräg über dem Baron wartete die Frau des Doktors Capitani (und der hatte bei dem Tischler in Via del Torchio, der dreimal Witwer war, eine schwarze Leber gefunden!) auf ihren Nello: den schönen Nello; und solange jener hinter dem Vorhang blieb, konnte sie mit den jungen Herren kokettieren, denn natürlich hatte sie es so eingerichtet, daß sie neben der Loge des Klubs saß. War es zu glauben, daß Mama Paradisi die ihre neben dem Mancafede hatte? Und immerfort steckte er den Kopf unter ihren Hut, der auf allen Seiten an die Logenwände anstieß, so groß war er. Wenn noch diese Alten Ärgernis erregten, waren armen jungen Leuten ihre Sünden zu verzeihen. Die Rina vom Tabakhändler hing in einem Drunter und Drüber von Schulkindern vom höchsten Geländer und starrte immer auf den leeren Platz des Maestro. Welche Dummheit, gerade diesen Künstler zu lieben, der sie mit all den Weibern vom Theater betrog!

„Rina! Nicht hinunterfallen!“ riefen alle.

„Sie hört nicht; hier ist ein Lärm —!“ Der Gevatter Achille schreit aus seiner Loge, wie ein Stier, hinter seinem Kellner her: „He! Nonò, bist du es! Ich will zu trinken. Ist das eine Art, daß nur die Herrschaften bedient werden?“ Keine Mög-

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