Page:H.M. Diana.djvu/62

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„Hoheit, zwei Jahre lang.“

Die Herzogin erhob das Lorgnon: sie hatte noch niemals einen Staatsverbrecher gesehen. Pavic stand barhäuptig im Schmuck seiner kurzen, braunroten Locken, das Licht flimmerte in seinem rotblonden Bart, er blickte ihr freimütig in die Augen.

„Sie müssen unversöhnlich sein,“ versetzte sie endlich. „Ich wäre es.“

„Gott verhüte es. Aber immer fromm und immer loyal gewesen, und bloß weil ich mein Volk liebe, verfolgt und eingekerkert, — Hoheit, das schmerzt,“ sagte er innig.

„Schmerzt? Sie müssen doch wütend sein!“

„Hoheit, ich vergebe ihnen —“

Er hielt die Rechte mit nach außen gekehrter Handfläche ein Stück seitwärts von der Hüfte weg. Er blickte gen Himmel.

„Denn sie wissen nicht, was sie thun.“

„Erzählen Sie mir gelegentlich mehr, Herr Doktor.“

Sie grüßte ihn aus dem Wagen.

Es war Mittag, in den windgeschützten Straßen brannte die Sonne. Die Herzogin suhlte sich aufgeweicht und eingeschläfert von lauter auf sie herniedergegangenen Worten, einfangenden, umstrickenden, entkräftenden Worten. Noch in ihren kühlen Sälen umspann sie ein ungesunder Zauber. Alle Gegenstände, die sie anfaßte, waren zu weich, das Schweigen im Hause zu fchmeichelnd und zu träumerisch. Ein kleiner Vogel, der sich an ihrem Fenster

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