Jump to content

Page:H.M. Der Untertan.djvu/281

From Wikisource
This page has been proofread.

in der Schenke, und die Eltern durften nichts wissen von der Sonntagsschule, denn sie waren Sozialdemokraten … Sie faselte; und Diederich, der zuerst nur an sein eigenes schlechtes Gewissen gedacht hatte, ward darauf hingewiesen, daß Käthchen in einer noch viel verdächtigeren Lage sei. Er ersparte es sich also, seine Anwesenheit im „Grünen Engel“ zu erklären, und schlug einfach vor, dann könne man in der Gaststube auf die Kinder warten. Käthchen weigerte sich angstvoll, irgend etwas zu verzehren, aber Diederich bestellte aus eigener Machtvollkommenheit auch für sie Bier. „Prost!“ sagte er, und in seiner Miene lag die ironische Erinnerung daran, daß sie bei ihrer letzten Zusammenkunft im traulichen Wohnzimmer des Pfarrhauses sich beinahe verlobt hätten. Käthchen ward unter ihrem Schleier rot und blaß und verschüttete ihr Bier. Immerfort flatterte sie kraftlos vom Stuhl auf und wollte fort; aber Diederich hatte sie hinter den Tisch in die Ecke geschoben und saß breit davor. „Nun müssen die Kinder aber gleich kommen!“ sagte er gutmütig. Statt ihrer kam Jadassohn: plötzlich stand er da und sah versteinert aus. Auch die beiden anderen regten sich nicht. „Also doch!“ dachte Diederich. Jadassohn schien etwas Ähnliches zu denken; keiner der Herren fand Worte. Käthchen begann wieder von Kindern und Sonntagsschulen. Sie sprach flehend und weinte fast. Jadassohn hörte ihr mit Mißbilligung zu, er ließ sogar die Bemerkung fallen, gewisse Geschichten seien ihm zu verwickelt, — und er blickte inquisitorisch auf Diederich.

„Im Grunde“, versetzte Diederich, „ist es doch einfach. Fräulein Zillich sucht hier nach Kindern, und wir beide helfen ihr.“

„Ob sie eins kriegt, kann man nicht wissen“, ergänzte

275