L ladin tl sistem formatif/IIIc
Schule und Mehrsprachigkeit im Kanton Graubünden1 Gian Peder Gregori, Manfred Gross Vincenzo Todisco, Marco Trezzini Scola auta da pedagogia dal Grischun, Coira 1. Einleitung Der Sprachunterricht befindet sich im Umbruch, auch und vor allem im Kanton Graubünden. Die zweisprachigen Schulen haben in den Sprachgrenzgemeinden in den letzten Jahren stetig zugenommen und wir stehen kurz vor der Einführung von Englisch als zweiter obligatorischer Fremdsprache in der Primarschule. Zwei Fremdsprachen an der Primarschule stellen die Lehrpersonen und die Lernenden vor neue Herausforderungen. Didaktische und methodische Neuerungen werden gefragt sein. Viele befürchten zudem eine Überforderung der Kinder. Kann sich Graubünden, als einziger dreisprachiger Kanton der Schweiz und in mancher Hinsicht als Modell für ein friedliches und konstruktives Nebeneinander (und hoffentlich immer mehr Miteinander) dreier verschiedener Kantonssprachen und Sprachregionen ein Scheitern bei der Umsetzung des neuen Sprachenkonzepts in der Schule leisten? Die Antwort der Autoren dieses Beitrags lautet klar nein. Nicht nur, dass wegen der zu erwartenden Schwierigkeiten ein Scheitern des Unterrichts zweier Fremdsprachen eine schlechte Sache für Graubünden wäre, sondern die Autoren glauben vielmehr, dass eine erfolgreiche Didaktik der Mehrsprachigkeit sehr wohl möglich ist, ja, sich für den Kanton Graubünden sozusagen aufdrängt. Zwei Fremdsprachen in der Primarschule sind gesetzt. Daran gibt es (im Moment) nichts zur rütteln. Es geht also darum, eine zuversichtliche, positiv motivierte Umsetzung des Schulsprachenkonzeptes anzustreben. Die Autoren dieses Beitrags sind überzeugt, dass dies möglich ist, allerdings nur, wenn bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sind.
Der Beitrag zeigt zunächst die komplexe Sprachsituation unseres Kantons mit seinen drei Sprachregionen und Kantonssprachen auf. Fakten und Zahlen illustrieren die Sprachverhältnisse und die soziolinguistischen Gegebenheiten. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Mehrsprachigkeit geworfen, die sich hin bis zur Bündner Sprachenpolitik auswirkt. Das Funktionieren der Mehr- 1 Dieser Artikel ist (mit einem weiteren 5. Kapitel, der hier nicht abgedruckt wird) erstmals im Bündner Monatsblatt (2011) 3-34 erschienen. Er ergänzt die Übersicht über die Präsenz des Ladinischen an den Schulen in den Dolomiten und in Friaul in idealer Weise. Wir danken deswegen den Autoren und dem Verlag Casanova, Chur, herzlich für die gewährte Erlaubnis zum Wiederabdruck.
sprachigkeit in unserem Kanton nimmt dabei eine zentrale Stellung ein und zeigt die Bedingungen einer gelebten Mehrsprachigkeit im Spannungsfeld von Mehrheits- und Minderheitssprache, Schule und sprachlicher Integration. Was die Schule anbelangt, spielt die Pädagogische Hochschule Graubünden, an der die Autoren des Beitrags als Dozenten und Sprachwissenschaftler tätig sind, eine wichtige Rolle, bildet sie doch Lehrpersonen aus, die das neue Fremdsprachenkonzept an der Schule umsetzen und tragen müssen. Das dritte Kapitel zeigt, auch mittels übersichtlicher Schulsprachkarten, die komplexe Situation der Schulsprachen im Kanton Graubünden auf. Dazu gehören die zweisprachigen und immersiven Schulen genauso wie die einsprachigen Schulen der verschiedenen Sprachregionen. Auf die romanische Schule wird als besonderes Modell speziell eingegangen. Das vierte Kapitel geht auf die so genannte Mehrsprachigkeitsdidaktik ein. Dieses Modell für einen umfangreichen und möglichst effizienten Fremdsprachenunterricht wird als viel versprechender Ansatz für einen erfolgreichen Unterricht in mehreren Sprachen angesehen. Allerdings wird nicht verschwiegen, dass ein solches Modell bestimmte Rahmenbedingungen voraussetzt, ohne die seine Umsetzung unmöglich ist.
2. Mehrsprachigkeit im Kanton Graubünden
2.1. Sprachsituation Graubünden
Graubünden ist der einzige dreisprachige Kanton der Schweiz, verfassungsrechtlich. Das weiss mittlerweile jedes Schulkind. Die traditionelle Dreisprachigkeit Graubündens ist aber längst zur Vielsprachigkeit geworden, so wie die viersprachige Schweiz zu einem vielsprachigen Land mutiert hat. Neben den drei Kantonssprachen Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch werden in Graubünden unzählige weitere Sprachen gesprochen (und auch geschrieben), Sprachen von Zuzüglern von nah und fern, von Niedergelassenen und Eingebürgerten, Gastarbeitern und Gästen aus der ganzen Welt, ausgestattet mit einer eigenen Sprache und Kultur. So ist eine hochkomplexe Sprachlandschaft entstanden, in der viele Kräfte zusammenwirken. Die Migration und die vielfältigen internationalen Kontakte stellen die Schule, Wirtschaft und Verwaltung vor neue Herausforderungen. Anderseits eröffnet gerade das sprachliche Kapital, wie eine im November 2010 erschienene umfassende wissenschaftliche Studie des Nationalfonds2 zeigt, auch grosse Chancen, da die internationalen Verflechtungen Sprachenkenntnisse nötiger machen denn je. 2 Haas (2010). Das Buch ist eine Synthese der 26 Projekte, welche Forschende aus allen Regionen des Landes im Rahmen des Forschungsprogrammes erarbeitet haben. 93 Schule und Mehrsprachigkeit im Kanton Graubünden Quelle: www.gr.ch Deutsch Das deutschsprachige Gebiet umfasst die von den Walsern besiedelten Täler Rheinwald, Vals, Safien, Avers, Schanfigg, Prättigau und Davos, die Enklave Obersaxen, das von Norden her germanisierte Churer Rheintal, den grössten Teil des Domleschgs sowie das vom österreichischen Tirol her germanisierte Samnaun. Romanisch Das Einzugsgebiet des Romanischen umfasst die Regionen am Vorderrhein (Surselva), Teilgebiete am Hinterrhein (Sutselva), das Oberhalbstein und Teile des Albulatals (Surmeir), das Oberengadin (Puter) sowie das Unterengadin (Vallader) und das Münstertal (Jauer). Die letzteren drei werden auch als „ladinisches“ Sprachgebiet bezeichnet. Italienisch Die vier im Süden Graubündens gelegenen Täler Misox, Calanca, Bergell und Puschlav sind italienischsprachig und kulturell eng mit dem Tessin bzw. mit Italien verbunden. 94 Gian Peder Gregori, Manfred Gross, Vincenzo Todisco, Marco Trezzini Bis um 1850 war das Romanische noch die Mehrheitssprache Graubündens. Die Zahlen von 1880, 1980, 1990 und 2000 zeigen eine stete Zunahme des Deutschen in absoluten und relativen Zahlen, eine unregelmässige Zunahme des Italienischen in absoluten Zahlen und eine massive relative Abnahme des Romanischen von 39,8 % im Jahre 1880 auf 14,5 % als bestbeherrschte Sprache im Jahre 2000.3 Resultate der Volkszählungen 1880 – 2000 für den Kanton Graubünden4 (in Klammern %-Zahlen): 1880 1980 1990 2000 MS MS BS BS/GS BS BS/GS D 43.664 (46,0) 98.645 (59,9) 113.611 (65,3) 144.563 (83,1) 127.755 (68,3) 158.215 (84,6) R 37.794 (39,8) 36.017 (21,9) 29.679 (17,0) 41.092 (23,6) 27.038 (14,5) 40.257 (21,5) I 12.976 (13,7) 22.199 (13,5) 19.190 (11,0) 39.193 (22,5) 19.106 (10,2) 43.221 (23,1) A 557 (0,6) 7.780 (4,7) 11.410 (6,6) 13.159 (7,0) T 94.991 (100) 164.641 (100) 173.890 (100) 187.058 (100) 1880–1980: MS = Muttersprache 1990/2000: BS = bestbeherrschte Sprache; BS/GS = bestbeherrschte Sprache und/oder gesprochene Sprache in Familie, Schule und/oder Beruf. D = Deutsch; R = Romanisch; I = Italienisch; A = andere Sprachen; T = Total Wohnbevölkerung Leider wird oft lediglich die Frage nach der Haupt- oder bestbeherrschten Sprache gestellt, um das Verhältnis zwischen den Landessprachen in Graubünden zu dokumentieren. Diese Frage allein vermag weder die effektive Verbreitung der drei Kantonssprachen noch das wirkliche Sprachverhalten ihrer Sprecherinnen und Sprecher korrekt zu widerspiegeln und scheint restriktiver zu wirken als die bis 1980 in den Volkszählungen gestellte Frage nach der 3 1950 sprachen in Graubünden noch 56,2 % Deutsch, 29,3 % Romanisch, 13,2 % Italienisch und 1,3 % Französisch oder ausländische Sprachen. Innerhalb der letzten 50 Jahre hat die deutsche Sprache somit um 1/5 zugelegt, während Romanisch mehr als die Hälfte und Italienisch etwa 1/4 ihrer Sprachanteile verloren haben. Der relative Anteil der ausländischen Sprachen im Kanton hat sich gleichzeitig verfünffacht. 4 Die Ergebnisse der Volkszählungen sind in der Reihe «Statistik der Schweiz» des Bundesamtes für Statistik BFS publiziert. 95 Schule und Mehrsprachigkeit im Kanton Graubünden Muttersprache. Zieht man nämlich die Angaben der Volkszählung 2000 zum Gebrauch der Sprachen in der Familie, im Erwerbsleben und/oder in der Schule in Betracht (Umgangssprachen), so entsteht auch für die beiden Minderheitengruppen Romanisch und Italienisch ein weit positiveres Bild: Deutsch wird von 158 215 oder 84,6 % der befragten Personen verwendet, Romanisch von 40 257 (21,5 %) und Italienisch gar von 43 221 (23,1 %). Zwischen 1990 und 20005 hat die Mehrheitssprache Deutsch ihre Position sowohl als bestbeherrschte Sprache als auch als bestbeherrschte und gesprochene Sprache verstärkt. Die italienische Sprache hat ihre Präsenz als Umgangssprache verstärkt, als Hauptsprache hat sie aber einen leichten Rückgang erfahren. Das Romanische hat als gesprochene Sprache leicht, als bestbeherrschte Sprache stark eingebüsst. In der Reihenfolge der Sprachen, wie sie von deren Sprechern in der Schweiz in der Volkszählung 2000 als bestbeherrschte Sprache angegeben wurden, liegt denn auch das Romanische lediglich an 11. Stelle, hinter dem Deutschen, Französischen, Italienischen, Serbischen, Kroatischen, Albanischen, Portugiesischen, Spanischen, Englischen und Türkischen. 2.2. Gesellschaftliche Vielsprachigkeit und individuelle Mehrsprachigkeit So wichtig es ist statistisch zwischen der Haupt- und Umgangssprache zu unterscheiden, so unabdingbar ist es zwischen einer gesellschaftlichen Vielsprachigkeit und einer individuellen Mehrsprachigkeit zu trennen: vielsprachig sind der Kanton, die Regionen und die Gemeinden, mehrsprachig deren Bewohnerinnen und Bewohner. Die Dreisprachigkeit Graubündens geht auf die mittelalterlichen Siedlungsverhältnisse zurück. Bis 1800 war das Rätoromanische als gesprochene Sprache dominierend. Das 19. Jahrhundert brachte Wandel und Veränderungen, welche die Sprachgrenzen rasch verschoben. Die Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, die verkehrstechnische Erschliessung der Täler und die allgemeine Mobilität führten vor allem in den Tourismusregionen Romanischbündens zu einer starken ethnischen und sprachlichen Durchmischung. Anderseits bewirkten die Veränderungen der Wirtschaftsstruktur, der Wandel vom primären zum tertiären Sektor eine Abwanderung vieler junger Menschen aus den romanischen und italienischen Tälern Graubündens in die Industrie- und Verwaltungszentren der deutschen Schweiz. Dieser Trend hält auch heute unvermindert an und zersplittert vor allem den romanischsprachigen Raum immer mehr. 5 Wirklich vergleichen lassen sich nur die Daten für die Jahre 1990 und 2000, die im Gegensatz zu den Volkszählungen vor 1880 nicht nach der Muttersprache, sondern nach der Haupt- und Umgangssprache erhoben wurden. 96 Gian Peder Gregori, Manfred Gross, Vincenzo Todisco, Marco Trezzini Die italienischsprachigen Talschaften Graubündens sind von den negativen Folgen der Zuwanderung Anderssprachiger für die einheimische Sprache und Kultur weniger stark betroffen als die romanischsprachigen Regionen. Am besten hält sich das Italienische im Misox und Calanca, die nicht nur sprachlich, sondern auch wirtschaftlich und kulturell stark zum italienischsprachigen Tessin hin ausgerichtet sind. Auch das Puschlav orientiert sich sprachlich und kulturell nach Süden, wirtschaftlich ist es aber, wie auch das Bergell, vor allem mit dem deutsch- und romanischsprachigen Norden verbunden. Wer nun aber meint, die deutschsprachigen Regionen Graubündens seien auf der gesellschaftlichen Ebene einsprachig, liegt falsch. Auch hier sind die Gemeinden sprachlich durchmischt. Individuell ist aber Einsprachigkeit in Deutschbünden nach wie vor die Regel. In der Schule ist zwar auch hier eine Kantonssprache als erste Fremdsprache ab der dritten Klasse – dazu Englisch ab der fünften Klasse – obligatorisch, ein eigentliches Mehrsprachigkeitsbewusstsein konnte sich aber (noch) nicht entwickeln.
2.3. Die Bündner Sprachenpolitik
In der Schweiz obliegt die Sprachhoheit den einzelnen Kantonen. Die Gemeinden und Kreise Graubündens bestimmen ihre Amts- und Schulsprachen im Rahmen ihrer Zuständigkeit und im Zusammenwirken mit dem Kanton in eigener Autonomie. In der Kantonsverfassung von 1880 wurden die drei Sprachen Deutsch, Romanisch und Italienisch erstmals formell als „Landessprachen“ festgelegt und deren Verwendung in der kantonalen Verwaltung, Gesetzgebung und Rechtsprechung geregelt. Eine der wichtigen Konsequenzen ist der Grundsatz der Gleichwertigkeit der drei Landessprachen. Dem gesetzlichen Auftrag zur Erhaltung und Förderung der Minderheitensprachen sowie zur Verständigung und zum Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften tragen die Verwaltung, die Rechtsprechung und die Schule in besonderem Masse Rechnung. Die Bündner Sprachenpolitik hat mit dem Sprachengesetz und der Sprachverordnung, die am 1. Januar 2008 in Kraft getreten sind, eine Konkretisierung erfahren. Das neue Bündner Sprachengesetz ist denn auch ein zeitgemäßes Gesetz, das der besonderen sprachlichen Situation im Kanton Graubünden Rechnung trägt. Es gewährleistet die Umsetzung der völkerrechtlichen Verpflichtungen6 und erfüllt die sprachenrechtlichen Ziele und Vorgaben des Verfassungsrechts von Bund (Art. 18 und 70 BV) und Kanton (Art. 3 KV). 6 Internationales Recht auf der Grundlage der Charta der Regional- und Minderheitensprachen sowie der Rahmenübereinkommen zum Schutze nationaler Minderheiten.
Schule und Mehrsprachigkeit im Kanton Graubünden Das Sprachengesetz zielt unter anderem darauf, die Dreisprachigkeit als Wesensmerkmal des Kantons zu stärken und das Bewusstsein für die kantonale Mehrsprachigkeit zu festigen. Es regelt den Gebrauch der drei kantonalen Amtssprachen durch den Grossen Rat, die Regierung, die Verwaltung und die kantonalen Gerichte. Bei diesen Regelungen handelt es sich größtenteils nicht um neue Festlegungen, sondern um die Verankerung der Praxis, die bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Kantonsverfassung bestand. In einem zweiten Teil regelt das neue Sprachengesetz die Maßnahmen, mit denen die kantonalen Minderheitensprachen Rätoromanisch und Italienisch erhalten und gefördert werden sollen. Ebenfalls neu ins Sprachengesetz aufgenommen wird die Möglichkeit, den Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften zu fördern. Schließlich regelt das Gesetz, wie die Amts- und Schulsprachen der Gemeinden und Kreise festgelegt werden und wie Kanton und genannte Körperschaften bei der Bestimmung ihrer Amts- und Schulsprachen zusammenwirken. Im Schulbereich hat das neue Sprachengesetz nur Konsequenzen für die Wahl der Schulsprache (Art. 16-25). Die Gemeinden regeln in ihrer Gesetzgebung die Schulsprache für den Unterricht in der Volksschule nach den Grundsätzen dieses Gesetzes. Die Regierung kann im Interesse der Erhaltung einer bedrohten Landessprache bei der Wahl der Schulsprache auf Antrag der Gemeinde Ausnahmen bewilligen. In mehrsprachigen Gemeinden erfolgt der Unterricht in der Erstsprache in der angestammten Sprache. In mehr- und deutschsprachigen Gemeinden kann die Regierung auf Antrag der Gemeinde im Interesse der Erhaltung der angestammten Sprache die Führung einer zweisprachigen Volksschule bewilligen7. In Gemeinden mit einem Anteil von mindestens 10 % von Angehörigen einer angestammten Sprachgemeinschaft sind während der obligatorischen Schulzeit Rätoromanisch bzw. Italienisch anzubieten.
2.4. Das Funktionieren der Dreisprachigkeit im Kanton Graubünden
Angesichts der anhaltenden Stärkung des Deutschen und dem Druck des Englischen auf die beiden Minderheitensprachen Romanisch und Italienisch erhält die Frage nach dem Funktionieren der Mehrsprachigkeit in Graubünden besondere Brisanz. Unter dem Titel «Das Funktionieren der Dreisprachigkeit im Kanton Graubünden»8 hat das Institut für Kulturforschung Grau- 7 Beschlüsse über den Wechsel von einer einsprachigen zu einer mehrsprachigen Gemeinde und umgekehrt bedürfen der Genehmigung der Regierung. Das neue Sprachengesetz schränkt also die Gemeinden in dieser Beziehung in ihrer Autonomie ein: Es ist den Gemeinden nicht mehr möglich, ohne regierungsrätliches Einvernehmen die Amts- und Schulsprache zu wechseln. In diesem Sinne ist es ein Entscheid zugunsten der Minderheitensprachen.
8 Grünert/Picenoni/Cathomas/Gadmer (2008). Das Forschungsprojekt wurde mit Beiträgen des SNF zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der Kulturförderung des Kantons Graubünden, der Pro Grigioni Italiano und der Lia Rumantscha finanziert. 98 Gian Peder Gregori, Manfred Gross, Vincenzo Todisco, Marco Trezzini bünden ikg im Jahre 2008 eine soziolinguistische Studie veröffentlicht, in der eine Forschungsgruppe der Frage nach dem individuellen Sprachgebrauch und den wechselseitigen Beziehungen der Kantonssprachen nachgeht. Aus der Studie geht unter anderem hervor, dass der Umgang mit der Mehrsprachigkeit im Kanton auf mündlicher Ebene recht gut funktioniert, dass aber auf der Schriftebene eine tendenzielle Zweiteilung der Bündner Sprachenlandschaft feststellbar ist mit einer klaren Sprachgrenze zwischen einem deutsch und einem italienisch geprägten Raum, wobei das traditionelle romanische Sprachgebiet weitgehend in den deutsch geprägten Raum integriert ist9. Es besteht in der Tat eine grosse Diskrepanz zwischen dem rechtlich-politischen Auftrag die kantonale Dreisprachigkeit zu fördern und dessen konkreter Umsetzung in den verschiedensten Bereichen des Alltags. Dabei wäre das sprachliche Potenzial durchaus vorhanden und könnte, guter Wille aller Beteiligten vorausgesetzt, entsprechend genutzt werden. Der Schule kommt denn auch diesbezüglich eine zentrale Rolle zu. Sie schafft mit ihrem Sprachen-Portfolio die Grundlage für die gegenseitige Verständigung unter den Sprachgemeinschaften. Die in der Schule erworbenen Sprachkenntnisse und die Haltung der Kinder zur Mehrsprachigkeit gilt es auch im ausserschulischen Bereich zu nutzen.
2.5. Der Druck des Deutschen und Englischen aus der Wirtschaft auf die Schule
Nebst der anhaltenden Attraktivität des Deutschen im romanischen Sprachraum und in Teilen des italienischen Sprachgebiets10 wird in Graubünden auch der Druck des Englischen auf die Schule immer stärker. Von deutschsprachiger Seite wird vermehrt die Kritik laut, dass an den traditionellen romanisch- und teilweise auch italienischsprachigen Schulen der Unterricht in Deutsch ab dem vierten (ab 2010 ab dem dritten) Schuljahr zu spät erfolge. Wirtschaftsvertreter stellen zudem die Priorisierung der Kantonssprachen als erste Fremdsprachen in Frage. Die späte Einführung des Deutschen und Englischen auf Primarschulstufe führe zu unzureichenden Kompetenzen in diesen beiden wirtschaftlich relevanten Sprachen bei den Angehörigen der beiden Minderheitensprachen. Der Druck auf das Fremdsprachenkonzept an den Bündner Schulen nimmt zu, eine flächendeckende regionale oder gar kantonale Einheitslösung ist allerdings kaum realistisch. 9 Grünert/Picenoni/Cathomas/Gadmer (2008, 395). 10 Vor allem im Bergell; siehe dazu die Studie von Bianconi (1998). 99 Schule und Mehrsprachigkeit im Kanton Graubünden 2.6. Schule und sprachliche Integration Gemäß der Volkszählung 2000 machen Anderssprachige rund 8 % (Hauptsprache) bzw. 15 % (Haupt- und Umgangssprache) der Bündner Bevölkerung aus. Die Mobilität und Immigration hat die Präsenz anderer Sprachen gegenüber den Landessprachen Graubündens im Kanton verstärkt. Serbokroatisch ist die am stärksten vertretene „außerkantonale“ Sprache, gefolgt vom Portugiesischen, Albanischen und Französischen. Daneben werden in Graubünden – wie anderswo in der Schweiz – noch viele andere Sprachen der Welt gesprochen. Der prozentuelle Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in den Schulen Graubündens liegt im Mittel bei 12 %, ist aber regional und lokal sehr unterschiedlich: So gibt es in den Tourismusregionen (z. B. im Oberengadin) und in der Hauptstadt Chur weit mehr Schülerinnen und Schüler fremdsprachiger Herkunft als in anderen Regionen des Kantons. Im Jahre 1993 erliess das Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement Graubünden auf Grund der damaligen starken Migrationsbewegung «Richtlinien zur Schulung fremdsprachiger Kinder im Kanton Graubünden». Im Dezember 2001 folgten, gestützt auf das kantonale Schul- und Kindergartengesetz, «Richtlinien zur Förderung fremdsprachiger Kinder im Kanton Graubünden». Damit trägt man, neben der Integration von Kindern aus anderen Kulturen in das bündnerische Schul- und Kindergartensystem, der Förderung der heimatlichen Sprache und Kultur vermehrt Rechnung. Fremdsprachige Kinder sollen neben der schulischen Förderung auch ihre sprachliche, kulturelle, ethnische und historische Eigenständigkeit bewahren und durch entsprechende Kurse aufrechterhalten können. Dieser Prozess betrifft ausser der Schule auch die Bildungsverantwortlichen der Botschaften und Konsulate. Für die Integration fremdsprachiger Kinder mit unterschiedlichen Lebens- und Lernbiografien kommt dem Kindergarten bzw. der Regelklasse eine entscheidende Bedeutung zu. Die Kinder werden hier teilweise individuell unterrichtet und gefördert. Als besondere sprachliche Integrationsmassnahmen für fremdsprachige Kinder gibt es im Rahmen der integrierten Regel- oder Einschulungsklassen spezielle Sprachförderungslektionen11 in allen drei Kantonssprachen. 2.7. Sprache und Mehrsprachigkeit an der Pädagogischen Hochschule Graubünden Die PH Graubünden ist die einzige dreisprachige Hochschule der Schweiz. Sie bildet Lehrpersonen sowohl für den Kindergarten als auch für die Primar- 11 Der Umfang dieses Förderunterrichts bemisst sich nach den Fähigkeiten der Kinder und den Möglichkeiten der Schule oder des Kindergartens und ist idealerweise für zugewanderte fremdsprachige Kinder in der Einstiegsphase intensiv. In der Schule sind es in der Regel 5-10 Lektionen pro Woche, im Kindergarten 1-2 Lektionen pro Woche. 100 Gian Peder Gregori, Manfred Gross, Vincenzo Todisco, Marco Trezzini schule Graubündens in allen drei Kantonssprachen aus. An der PH Graubünden studieren aber auch zukünftige Lehrpersonen aus andern Kantonen, die für den Unterricht der Fremdsprachen an ausserkantonalen Schulen vorbereitet werden. Der Umgang mit Heterogenität, kultureller Vielfalt und Mehrsprachigkeit gehört denn auch zu den Kernkompetenzen der kantonalen bündnerischen Lehrerbildungsanstalt. Neben der Grundausbildung für den Unterricht in allen drei Kantonssprachen12 bietet die PH Graubünden auch Forschung und Dienstleistung in den Bereichen Schulentwicklung und Mehrsprachigkeit an. Für letzteren Bereich konnte die PH Graubünden im Jahre 2009 auf der Grundlage des kantonalen Sprachengesetzes eine Fachstelle einrichten, die 2010 als Ressort Mehrsprachigkeit (MS) in die Abteilung Forschung und Entwicklung/Dienstleistung der Schule integriert wurde. Die Mehrsprachigkeitsforschung der PH Graubünden ist angewandt und praxisorientiert und hauptsächlich auf den Kanton Graubünden fokussiert, wobei einer Einbindung im kantonalen, nationalen und internationalen Netzwerk eine zentrale Bedeutung zukommt.13 Forschungsschwerpunkte sind Erziehung und Bildung, Immigration und interne Migration, Kontaktlinguistik und Sprachkompetenzen. Die Ergebnisse der Forschungsprojekte sollen in die Schule sowie in die Gesellschaft zurückfließen und auch einen Beitrag für die gelebte Mehrsprachigkeit in Graubünden leisten. 12 Der Didaktikunterricht in der L2 wird größtenteils in der jeweiligen Zielsprache gehalten. Mit der Ausbildungsmöglichkeit zur Lehrbefähigung in englischer Sprache und/oder französischer Sprache präsentiert sich die PH Graubünden als offene Schule gegenüber allen Teilen der Schweiz und garantiert außerdem die berufliche Mobilität zukünftiger Lehrpersonen. 13 Wichtige Bausteine im Hinblick auf die Stärkung der Forschung und Entwicklung im Bereich Mehrsprachigkeit sind Kooperationsverträge mit Partnerorganisationen im In- und Ausland: mit der PH Wallis, mit dem Dipartimento Formazione e Apprendimento (DFA) der Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI), mit dem Institut für Kulturforschung Graubünden, mit der Freien Universität Bozen sowie mit dem Institut für Mehrsprachigkeit der Universität Freiburg und der PH Freiburg. Diese Vernetzung erlaubt es, Wissen zu bündeln, Synergien zu nutzen und die Forschungsarbeit in Graubünden in einen nationalen und internationalen Kontext zu stellen. 101 Schule und Mehrsprachigkeit im Kanton Graubünden
3. Schulsprachen im Kanton Graubünden
3.1. Drei Sprachen – drei Schulsysteme
Für die drei Sprachregionen des Kantons Graubünden bestehen grundsätzlich drei Schulmodelle. Neben den drei Grundtypen gibt es seit 1996 zweisprachige Schulmodelle in verschiedenen Ausprägungen. Die nachfolgende Karte14 zeigt die regionale Verteilung der drei Schulmodelle nach Erstsprachen und die Verbreitung der zweisprachigen Schulmodelle bis 2010.
3.2. Das Sprachenkonzept des Kantons Graubünden
Das Sprachenkonzept des Kantons Graubünden basiert auf dem Gesetz für die Volksschulen des Kantons Graubündens und beschreibt die Verwendung der Schulsprachen (Erstsprache) und den Beginn und die Verteilung der Zweit- bzw. Fremdsprachen.15 14 Die Karten über die Sprachverteilung in den Schulen des Kantons Graubündens wurden von der Stabsstelle Sprachen der PHGR erarbeitet. 15 http://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/ekud/avs/projekte/fremdsprachen/Seiten/default.aspx. Das hier dargestellte Sprachenkonzept berücksichtigt auch den Entscheid des Parlaments von 2008, Englisch ab Schuljahr 2012/13 als zweite Fremdsprache ab der 5. Primarklasse einzuführen unter gleichzeitiger Vorverlegung der ersten Fremdsprache in die 3. Primarklasse. 102 Gian Peder Gregori, Manfred Gross, Vincenzo Todisco, Marco Trezzini Sprachenkonzept für die Bündner Volksschule Deutschsprachige Schulen Italienischsprachige Schulen Romanischsprachige Schulen Primarschule Deutsch für alle obl. Italienisch/Romanisch als L2 für alle 3. – 6. Klasse Romanisch ab 1. Klasse möglich Englisch L3 ab 5. Kl. Italienisch für alle obl. Deutsch als L2 für alle 3. – 6. Klasse Englisch L3 ab 5. Kl. Romanisch für alle obl. Deutsch als L2 für alle 3. – 6. Klasse als Unterrichtsfach (UF), teilweise auch als Unterrichtssprache (US) Englisch L3 ab 5. Kl. Sekundarstufe 1 Pflichtfächer:
• Deutsch (UF + US)
• Ital./ Rom. (UF)
• Englisch (UF)
Wahlfächer:
• Rom. oder Ital.
• Französisch
Pflichtfächer:
• Italienisch (UF+US)
• Deutsch (UF)
• Englisch (UF)
Wahlfächer:
• Romanisch
• Französisch
Pflichtfächer:
• Romanisch (UF+ US)
• Deutsch (UF + US)
• Englisch (UF)
Wahlfächer:
• Italienisch
• Französisch
UF = Unterrichtsfach US = Unterrichtssprache
3.3. Drei Schulsprachen – vier Zweit- bzw. Fremdsprachen
Das Prinzip für den Zweit- bzw. Fremdsprachunterricht ist für alle Sprachregionen gleich: Als erste Fremdsprache (Zweitsprache) wird ab dem Schuljahr 2010/11 eine Kantonssprache ab der 3. Primarklasse unterrichtet.16 Mit Beschluss des Grossen Rates von 2008 wird ab dem Schuljahr 2012/13 Englisch als zweite Fremdsprache ab der 5. Primarklasse eingeführt. Da für die romanischen und teilweise auch für die italienischsprachigen Schulen die Lernziele in der Zweitsprache Deutsch klar über jenen für die erste Fremdsprache für die deutschsprachigen Schulen liegen, ist auch die Stunden- 16 Cf. Art 8 des Schulgesetzes des Kantons Graubünden vom 26.11.2000. 103 Schule und Mehrsprachigkeit im Kanton Graubünden dotation für die drei Schultypen verschieden.17 Deutsch wird an romanischen Schulen spätestens an der Oberstufe auch als Unterrichtssprache verwendet. Die nachfolgende Karte zeigt die regionale Verteilung der ersten Fremd- bzw. Zweitsprache (zweite Kantonssprache): 3.4. Die romanische Schule – das Romanische in der Schule Die romanischsprachige Schule ist in ihrer traditionellen Form eigentlich seit ihrer Existenz, d. h. seit mehr als 100 Jahren, eine Art zweisprachige Schule mit dem Ziel, eine ausgebaute Zweisprachigkeit Romanisch-Deutsch zu erreichen. Früher bedeutete die Verwendung des Deutschen als Unterrichtssprache spätestens ab der Oberstufe eine spätere partielle Immersion für die meisten monolingualen romanischsprachigen Kinder. Heute praktiziert die romanische Schule mit der exklusiven Verwendung des Romanischen als Unterrichtssprache in der Unterstufe der Primarschule eine totale, frühe Immersion für alle Kinder, welche zu Hause eine andere Sprache als Romanisch sprechen. In einem beträchtlichen Teil des traditionell romanischen Sprachgebiets mit romanischen Schulen ist dies ein wesentlicher Anteil der Kinder. Dort, wo dieser 17 Cf. Stundentafeln für die Volksschule im Kanton Graubünden: http://www.gr.ch/DE/INSTITUTIONEN/ VERWALTUNG/EKUD/AVS/DIENSTLEISTUNGEN/VOLKSSCHULE/LEHRPLAN_ PRIMAR/Seiten/Stundentafel.aspx. 104 Gian Peder Gregori, Manfred Gross, Vincenzo Todisco, Marco Trezzini Typus von der Bevölkerung akzeptiert ist und nicht politisch unter Druck gerät, hat er in der Vergangenheit und auch in der Gegenwart eine gut ausgebaute romanisch-deutsche Zweisprachigkeit der Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit gewährleistet. Die nachfolgende Grafik zeigt die Verteilung der Sprachen in der traditionell romanischen Schule.18 Die romanische Schule als zweisprachiger Schultypus19 In stark germanisierten Regionen ist dieser Schultypus in den letzten Jahrzehnten teilweise stark unter Druck geraten. So hat zum Beispiel die Gemeinde Bergün 1983 mit einem Gemeindeversammlungsbeschluss vom romanischsprachigen zum deutschsprachigen Schulsystem gewechselt. Als in der Gemeinde Samedan 1993 eine ähnliche Diskussion drohte, weil Teile der Bevölkerung mit dem bestehenden Schulsystem unzufrieden waren, wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, welche ein Konzept für eine zweisprachige Schule erarbeitete, welche die sprachliche Zusammensetzung der Bevölkerung und den Schutz und die Förderung des Romanischen berücksichtigen sollte. So entstand in Samedan ab 1996 als Alternative zum traditionellen romanischsprachigen Schultypus ein zweisprachiger Schultypus, welcher allmählich vor allem in verschiedenen Oberengadiner Schulgemeinden eingeführt wurde. 18 Der Anteil des Deutschen und des Romanischen, vor allem als Unterrichtssprache an der Oberstufe, kann variieren. Das Englische wird ab dem Schuljahr 2012/13 ab der 5. Klasse unterrichtet. 19 Die Grafik basiert auf den Angaben der Stundentafeln für die verschiedenen Stufen und Sprachtypen: http://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/ekud/avs/Volksschule/Lehrplan_Primar_Lektionentafel_ 21092010_de.pdf http://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/ekud/avs/Volksschule/Lehrplan OS_Stundentafel_0901_de.pdf 105 Schule und Mehrsprachigkeit im Kanton Graubünden Aktuell werden die verschiedenen romanischen Schriftvarianten, inklusive Rumantsch Grischun entweder als Hauptschulsprache (traditioneller Schultypus), als eine von zwei Schulsprachen (in zweisprachigen Schulmodellen) oder als zweite Kantonssprache (gemäss Schulgesetz die erste Fremdsprache) unterrichtet. Die nachfolgende Karte illustriert die sehr komplexe Verteilung und Verwendung des Romanischen in der Schullandschaft Graubünden. Zweisprachige Schulen in Graubünden Ausser der traditionellen romanischen Grundschule, gibt es in Graubünden seit 1996 Schulmodelle, welche explizit als zweisprachig deklariert werden. Man kann von zwei Modellen zweisprachiger Schulen sprechen: • Zweisprachiger Schultypus, welcher die romanische bzw. italienische Grundschule ersetzt und in den einzelnen Schulgemeinden flächendeckend für alle Schülerinnen und Schüler obligatorisch die ganze Pflichtschule betrifft. • Zweisprachiger Schultypus, welcher an deutschsprachigen Schulen als zusätzliche Möglichkeit angeboten wird, wobei die Erziehungsberechtigten entscheiden können, ob ihre Kinder diese zweisprachigen Klassenzüge besuchen. Zusätzlich kann unterschieden werden, wie hoch die Anteile der beteiligten Sprachen im Unterricht sind. Bei einer Variante kann man von einem paritäti106 Gian Peder Gregori, Manfred Gross, Vincenzo Todisco, Marco Trezzini schen Modell sprechen: es werden beide beteiligten Sprachen zu gleichen Anteilen im Unterricht verwendet. In der anderen Variante wird einer Sprache (im Falle der zweisprachigen Schulprojekte in ehemaligen romanischsprachigen Schulen dem Romanischen) im Sinne der Spracherhaltung und -förderung und des Schutzes der Minderheitssprache Priorität eingeräumt. Graphisch können die beiden Typen folgendermassen dargestellt werden: Zweisprachiger Schultypus: unterschiedliche Anteile L1 und L2 Zweisprachiger Schultypus: gleiche Anteile L1 und L220 Der zweisprachige Schultypus mit verschiedenen Anteilen der beiden Sprachen wird vorwiegend dort praktiziert, wo er den traditionell romanischen Schultypus ersetzt, während der zweisprachige Schultypus mit gleichen Antei- 20 L1 ist bei solchen Modellen normalerweise Deutsch und L2 Romanisch bzw. Italienisch. 107 Schule und Mehrsprachigkeit im Kanton Graubünden len der beiden Sprachen in Projekten realisiert wird, welche vor allem in deutschsprachigen Schulen als zusätzliches Angebot für interessierte Schülerinnen und Schüler und deren Erziehungsberechtigte realisiert werden. Chronologie und Typologie der zweisprachigen Schulprojekte in Graubünden Die nachfolgende Tabelle zeigt die Chronologie der Einführung der verschiedenen zweisprachigen Schulprojekte in Graubünden und unterscheidet sie gemäss Schultypen (Anteile der betroffenen Sprachen und der betroffenen Schulstufen). Jahr Gemeinde Schultypus* Schulstufe(n) Bemerkungen 1996 Samedan Typus A rom.- deutsch Alle Schulstufen KG, PS, Sek 1 1993 Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines Konzepts; erste zweisprachige Schule in Graubünden. 2000 Chur Typus B deutsch- ital. deutsch- rom. KG + PS Sek 1: reduziertes Angebot 1996 politisches Postulat; 1998 Grundsatzentscheid; 2000 Start Schulversuch; Fakultatives Angebot zusätzlich zur deutschsprachigen Schule; ab 2009 definitives Angebot der Stadtschule Chur. 2004 Pontresina Typus A rom.- deutsch Alle Schulstufen KG, PS, Sek 1 Analog zum Konzept Samedan mit einigen Varianten innerhalb der Stundentafel und des Konzepts. 2004 Trin Typus A rom.- deutsch KG, PS Keine Weiterführung in der Sek 1, weil diese zusammen mit Flims geführt wird Mehr oder weniger analog zum Konzept Samedan; mit tendenziell höheren Anteilen des Deutschen; seit 2007: Rumantsch Grischun als Schulsprache. 2005 Bever Typus A rom.- deutsch KG, PS Sek 1 zusammen mit Samedan Analog zum Konzept Samedan. 108 Gian Peder Gregori, Manfred Gross, Vincenzo Todisco, Marco Trezzini Jahr Gemeinde Schultypus* Schulstufe(n) Bemerkungen 2005 Maloja Typus B ital.- deutsch KG, PS Keine Weiterführung an der Sek1, da diese mit der Talschule im Bergell zusammen geführt wird. 2006 Celerina Typus A rom.- deutsch KG, PS Sek 1 zusammen mit Samedan Analog zum Konzept Samedan. 2008 La Punt Typis A rom.- deutsch KG, PS Analog zum Konzept Samedan; Sek 1 zusammen mit Zuoz und S-chanf (La Plaiv). 2008 Ilanz Typus B deutsch - rom. KG, PS, Sek 1 Fakultatives Angebot zusätzlich zur deutschsprachigen Schule; ab 2009 definitives Angebot der Stadtschule Ilanz. 2001 hat das Amt für Volksschule Richtlinien zur Führung zweisprachiger Klassen21 erlassen, welche Rahmenbedingungen, Zielsetzungen und Realisationsmöglichkeiten von zweisprachigen Schulen bzw. Klassenzügen regeln. Im Vernehmlassungsentwurf für die Totalrevision des Schulgesetzes vom April 2009 werden in Art. 32 zweisprachig geführte Schulen und Klassen explizit erwähnt.22 Evaluation Seit dem Start der zweisprachigen Schulprojekten in Graubünden gegen Ende der 90er Jahre wurden die meisten Projekte wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Das erste Projekt in Samedan wurde bis 2007 von der Universität Freiburg evaluiert,23 die zweisprachigen Klassen der Stadtschule Chur wurden vom Institut für Sprachwissenschaft der Universität Bern und von der Pädagogischen Hochschule Graubünden begleitet und intensiv evaluiert. Das Projekt in Maloja wurde während 5 Jahren intensiv von der Pädagogischen Hochschule Graubünden begleitet und evaluiert. 21 http://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/ekud/avs/Volksschule/richtlinien_zweisprachigkeit_de.pdf 22 http://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/ekud/avs/Volksschule/Totalrevision_Schulgesetz_Vernehmlassung_ Gesetz_16042009_de.pdf 23 Beispiel eines Evaluationsberichtes: http://www.unifr.ch/ipg/assets/files/DocsRechProj/EnsBil/051004Datenerheb05. pdf 109 Schule und Mehrsprachigkeit im Kanton Graubünden Kleinere Evaluationen wurden von der Pädagogischen Hochschule Graubünden in Pontresina und Trin durchgeführt. Sämtliche Resultate der Evaluationen waren in allen untersuchten Bereichen zufriedenstellend bis gut oder sehr gut, d. h. die Schulprojekte führen zu einer gut ausgebauten Zweisprachigkeit. Ausserdem werden die Lernziele in den übrigen Fächern erreicht, auch wenn in diesen die schwächere Sprache als Unterrichtssprache verwendet wird. Aktuell evaluiert die Pädagogische Hochschule Graubünden im Auftrag der entsprechenden Gemeinden die zweisprachigen Schulen Samedan, Pontresina, Celerina und Bever. Fünf Schultypen auf kleinstem Raum Die Entwicklung der letzten 15 Jahren hat in der Region Oberengadin / Poschiavo / Bergell dazu geführt, dass in dieser relativ kleinen Region fünf verschiedene Schultypen vorkommen. Die nachfolgende Karte illustriert diese Vielfalt auf kleinstem Raum.24 24 Die Karte wurde von Andrea Urech, Beauftragter für die Zweisprachigkeit der Gemeinde Samedan, zur Verfügung gestellt. 110 Gian Peder Gregori, Manfred Gross, Vincenzo Todisco, Marco Trezzini 4. Die Mehrsprachigkeitsdidaktik In den beiden vorangehenden Kapiteln wurde die komplexe Sprachsituation in Schule und Gesellschaft Graubündens aufgezeigt. Wie soll nun die Schule auf die Herausforderungen, die eine solche Situation mit sich bringt, reagieren? Diese Frage betrifft nicht nur den Kanton Graubünden. Die Globalisierung, die steigende Mobilität und die Bedürfnisse einer pluralistischen Gesellschaft zwingen die Schule auf erweiterte Sprachkompetenzen hin zu arbeiten. In der Schweiz hat sich ein Sprachenkonzept durchgesetzt, das sowohl die Landes- bzw. die Kantonssprachen als auch die Weltsprache Englisch berücksichtigt. Demnach werden in allen Kantonen zwei Fremdsprachen in der Primarschule unterrichtet. Die sprachliche Heterogenität mancher Schulklassen und die Anzahl der zu unterrichtenden Sprachen bedeuten für alle Beteiligten, Lehrpersonen wie Lernende, eine grosse Herausforderung. Viele damit verbundenen Fragen sind bis heute gar nicht oder nur teilweise beantwortet worden. Wie sollen zwei Fremdsprachen gleichzeitig unterrichtet werden? Sind die Schülerinnen und Schüler damit überfordert? Wie können die anvisierten Lernziele erreicht werden? Gibt es noch genug Zeit, die Schulsprache zu festigen, die für viele Migrantenkinder eine weitere Fremdsprache darstellt? Wie sollen die vielen Herkunftssprachen mit einbezogen und gefördert werden? Angesichts dieser komplexen Fragen sind sich alle Betroffenen über eines einig: Der herkömmliche, ausschliesslich kursorische Fremdsprachunterricht ist den Anforderungen eines Unterrichts von und in mehreren Sprachen nicht gewachsen. Es braucht eine didaktische und methodische Neuorientierung. Die so genannte Mehrsprachigkeitsdidaktik (MSD) oder auch integrierte oder integrative Sprachendidaktik verspricht Lösungen. Der Weg bis zu einem erfolgreichen und koordinierten Fremdsprachenunterricht ist aber noch lang und steinig, denn die MSD ist ein Modell, dessen Entwicklung, Implementierung und Erforschung bei weitem noch nicht abgeschlossen sind. Es muss vorausgeschickt werden, dass die MSD keine neue und eigenständige Methode des Fremdsprachenunterrichts ist, sondern sie versteht sich als Weiterentwicklung des mittlerweile etablierten kommunikativen Ansatzes. Die MSD hat ihre Grundlage in der Sprachenpolitik multilingualer Gesellschaften, also auch in jener der Schweiz, und wirkt sich auf der fachlichen Ebene auf die Planung und Gestaltung des Sprachenunterrichts aus. An die MSD sind hoch gesteckte Erwartungen geknüpft, allen voran die Steigerung der Effizienz des Fremdsprachenlernens im schulischen Bereich. Die Entstehung und Entwicklung der MSD ist auf die vielfältigen Veränderungen der letzten Jahrzehnte zurückzuführen. Die gesellschaftspolitischen Entwicklungen haben dazu geführt, dass umfangreichere Fremdsprachen111 Schule und Mehrsprachigkeit im Kanton Graubünden kenntnisse erforderlich geworden sind. Der Europarat und die Europäische Union haben ihre Sprachenpolitik auf drei während der obligatorischen Ausbildung zu lernende Sprachen ausgerichtet: die Erstsprache (oder Muttersprache), die Sprache des Nachbarn und eine Weltsprache. Es wird davon ausgegangen, dass eine gute sprachliche und kulturübergreifende Kompetenz nicht nur die gegenseitige Verständigung und Toleranz fördert, sondern auch die persönlichen und beruflichen Chancen in einer globalisierten Welt erhöht. Die Schweiz als mehrsprachiges Land hat die Herausforderung erkannt und im Sinne eines Bekenntnisses zur Mehrsprachigkeit und Förderung des Verständnisses zwischen den Sprachregionen ein umfangreiches Sprachenkonzept in die Wege geleitet. Die am 25. März 200425 von der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) verabschiedete, gemeinsame Strategie sowie der gemeinsame Arbeitsplan für eine gesamtschweizerische Koordination zur Umsetzung des EDK-Gesamtsprachenkonzepts von 1998 sieht vor, dass alle Primarschulkinder spätestens ab dem 3. resp. ab dem 5. Schuljahr zwei Fremdsprachen lernen und dass am Ende der Volksschule verbindliche Kompetenzniveaus festgelegt werden. Konkret bedeutet dies, dass in der Volksschule die jeweilige Schulsprache (Ortssprache), eine Kantons- bzw. Landessprache und die Weltsprache Englisch unterrichtet werden, wobei die Kantone die Reihenfolge der Fremdsprache selber bestimmen können. Für den deutschsprachigen Teil des Kantons Graubünden sind es, wie schon im 3. Kapitel aufgezeigt, Deutsch als erste Sprache (Schulsprache), Italienisch (Kantonssprache und Sprache des Nachbarn) als erste Fremdsprache ab der 3. Klasse und die Weltsprache Englisch als zweite Fremdsprache ab der 5. Klasse. Englisch hat sich als Weltverkehrssprache in der internationalen Kommunikation durchgesetzt und nimmt mittlerweile in den Schulsprachencurricula fast aller Länder den ersten Platz ein. Damit verbunden ist die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationsmedien, ein weiterer Faktor, der den Fremdsprachenunterricht verändert. Um das Ziel des Unterrichts von zwei Fremdsprachen zu erreichen, haben die Kantone ihr Gesamtsprachencurriculum entwickelt, wobei das Transferpotential der beteiligten Schulsprachen noch aktiviert werden muss. Am Ende der Schulpflicht sollen die Kinder in der ersten und zweiten Fremdsprache annähernd dasselbe Niveau aufweisen. Wie sollen nun aber konkret die Fremdsprachen in der Schule unterrichtet werden? Über dreissig Jahre sich ablösende Sprachlerntheorien, von der Grammatik- Übersetzungsmethode bis hin zum kommunikativen Ansatz, haben gezeigt, dass es nicht nur eine oder gar perfekte Weise gibt, eine Fremdsprache 25 Sprachenunterricht in der obligatorischen Schule: Strategie der EDK und Arbeitsplan für die gesamtschweizerische Koordination, 25.03.2004, www.edk.ch 112 Gian Peder Gregori, Manfred Gross, Vincenzo Todisco, Marco Trezzini erfolgreich zu lehren und zu lernen. Zu zahlreich und komplex sind die Faktoren – Lerntyp, Lernkontext, Ziele, Alter, Motivation usw. –, die dabei eine Rolle spielen. Heute tendiert man zur Pluralität der Methoden und zu einem integrativen und fächerübergreifenden Ansatz. Die kommunikative Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts ist unbestritten. Die MSD beruht also auf einem konstruktivistischen Verständnis des Lernens und richtet sich nach der lernorientierten empirischen Sprachlernforschung. Massgebend dafür sind vorgängig die Forschungsarbeiten von Britta Hufeisen im Bereich der so genannten Tertiärsprachendidaktik und eine Didaktik der Mehrsprachigkeit von Werner Wiater.26 In der Schweiz müssen unter anderem die vielen Arbeiten von Claudine Brohy und eine Einführung in eine Didaktik des Zweitsprachunterrichts von Christine Racine Le Pape27 erwähnt werden. Es handelt sich wie schon gesagt nicht um eine neue Lernmethode, sondern um ein Modell für die Weiterentwicklung und Profilierung des kommunikativen Ansatzes. So sollen Sprachen weiterhin kommunikativ, handlungsorientiert, situativ und spielerisch gelehrt und gelernt werden. Wie die Umsetzung der MSD aussehen könnte, kann aufgrund des so genannten Passepartout-Projekts aufgezeigt werden.28 Die sechs Kantone Bern, Basel Land, Basel Stadt, Fribourg/Freiburg, Solothurn und Wallis/Valais29 entlang der deutschfranzösischen Sprachgrenze, welche die Sprachenfolge Französisch vor Englisch gewählt haben, haben sich mit dem Ziel zusammengeschlossen, die Neukonzeption des Fremdsprachenunterrichts gemeinsam anzugehen. Es geht darum, den künftigen Fremdsprachenunterricht zu entwickeln und in Fragen der Didaktik, der Stundendotation, der Lehrpläne, der Lehrmittel, des Anforderungsprofils der Lehrpersonen, der Aus- und Weiterbildung, der Evaluationsinstrumente und des Sprachenportfolios eine möglichst hohe Koordination zu erreichen. Die Erziehung zur Mehrsprachigkeit gilt dabei als oberstes Ziel. Um falsche Erwartungen und Überforderungen auszuschliessen, gilt es aber diese Mehrsprachigkeit zu definieren. Im Sinne der MSD ist eine Person dann mehrsprachig, wenn sie sich in mehr als einer Sprache angemessen und situationsgerecht verständigen kann. Mehrsprachigkeit bedeutet in diesem Fall aber nicht, dass die einzelnen Sprachen alle gleich gut und mit hohem Anspruch auf Perfektion beherrscht werden müssen. In der Volksschule geht es darum, gute Grundfähigkeiten in den Bereichen Hörverstehen, Leseverstehen, dialogisches und monologisches Sprechen sowie Schreiben zu erlangen und dadurch eine 26 Wiater (2006). 27 Le Pape Racine (2000). 28 Für detaillierte Informationen zum Projekt siehe: www.passepartout-sprachen.ch 29 Für die Kantone Fribourg/Freiburg und Wallis/Valais handelt es sich um den deutschsprachigen Teil. 113 Schule und Mehrsprachigkeit im Kanton Graubünden kommunikative Kompetenz auszubilden, die im Laufe des Lebens je nach individuellen Bedürfnissen ausgebaut werden kann. Nach einer solchen Konzeption des Sprachenlernens spielen die formalen Aspekte, die bei der Grammatik- Übersetzungsmethode so wichtig waren, eine untergeordnete Rolle. Im Zentrum steht nun vielmehr das Verstehen und sich Verständlich-Machen- Können. Solange die Verständigung gelingt, spielen Fehler eine untergeordnete Rolle. Dieses Verständnis von Mehrsprachigkeit wird mit dem Fachbegriff funktionale Mehrsprachigkeit umschrieben. Mehrsprachigkeit wird gefördert durch den Aufbau von Sprachbewusstheit, Sprachlernstrategien und Arbeitstechniken sowie durch Sprachvergleiche und Sprachreflexion. Sprach- und Lernkompetenzen können in allen Fächern gefördert und genutzt werden. Sie erhöhen das autonome Lernen und führen zu effizienterem Lernen. Somit ist die MSD ein Oberbegriff für mehrere mögliche Ansätze, die meistens den kursorischen Unterricht begleiten oder ergänzen und somitein effizienteres Lernen von Sprachen ermöglichen. Zu diesem Katalog möglicher Ansätze oder didaktischer Komponenten gehören ganz allgemein der fächerübergreifende Unterricht, die Immersion, der bilinguale Unterricht, der CLILAnsatz, 30 die Begegnung mit Sprachen (ELBE), das Sprachenportfolio und die Austauschpädagogik. Alle diese Komponenten folgen bestimmten Prinzipien. Mehrsprachigkeit kann somit erreicht werden, wenn die Sprachen nicht nebeneinander, sondern in Bezug zueinander gelehrt und gelernt und die Erkenntnisse der Spracherwerbsforschung berücksichtigt werden. Dieses neue Modell führt weg von der Fokussierung auf nur eine Sprache hin zu einer erweiterten Sichtweise in der Sprachdidaktik. Die MSD basiert somit auf einem sprachen- und fächerübergreifenden Ansatz. Sprachen werden nicht isoliert gelehrt und gelernt, sondern es werden bei jeder sich bietenden Gelegenheit mittels Vergleichen Verbindungen hergestellt und die Sensibilisierung für und die Reflexion über Sprachen und Kultur gefördert. Gleichzeitig soll die einengende Reduktion des Fremdsprachenunterrichts auf die dafür bestimmten Lektionen aufgeweicht werden zu Gunsten einer Ausweitung der Begegnung und Auseinandersetzung mit der jeweiligen Sprache in anderen Fächern und Unterrichtssituationen. Das erfordert selbstverständlich, dass die Ziele und Inhalte des Unterrichts der verschiedenen Sprachen aufeinander abgestimmt werden, die Lehrpersonen alle Lehr- und Lernmaterialien der unterrichteten Sprachen kennen und möglichst dieselben Bewertungskriterien angewandt werden. Das Ziel der Mehrsprachigkeit kann am besten erreicht werden, wenn das Potential des frühen 30 Der Begriff CLIL steht für Content and Language Integrated Learning und kann dem französischen Enseignement d’une Matière par l’Intégration d’une Language Etrangère (abgekürzt EMILE) und dem deutschsprachigen Begriff des Bilingualen Sachfachunterrichts gleichgestellt werden. 114 Gian Peder Gregori, Manfred Gross Gian Peder Gregori, Manfred Gross, Vincenzo Todisco, Marco Trezzini Fremdsprachenlernens genutzt wird. Kinder sind fremden Sprachen und Kulturen gegenüber unvoreingenommen, sie teilen sich gerne mit, imitieren und reproduzieren gerne andere Sprachen und haben ein ausgesprochenes Interesse am Sprachhandeln. Sie besitzen noch die Fähigkeit, Sprache ungesteuert zu erwerben und sind im Allgemeinen hoch motiviert. Die Vorverlegung des Fremdsprachenunterrichts bedeutet einerseits eine Verlängerung der Lernzeit, andererseits die Notwendigkeit, die Didaktik an die unterschiedlichen Lernphasen und entwicklungspsychologischen Voraussetzungen für das Fremdsprachenlernen anzupassen. Damit die Verlängerung der Lernzeit sinnvoll genutzt werden kann, gilt es, die Schnittstellen sorgfältig zu klären und die Kontinuität bezüglich didaktischer Grundsätze zu sichern, in erster Linie beim Übergang der Primarschule in die Oberstufe. Somit bedingt die Heranbildung zur Mehrsprachigkeit eine Kohärenz über alle Schulstufen hinweg. Neuzeitlicher Fremdsprachenunterricht richtet den Fokus auf die Kompetenzen, die von den Lernenden entwickelt werden. Es sind Kompetenzen, die gebraucht werden, um gewisse Handlungen vollziehen zu können.31 Die Spracherwerbsforschung geht davon aus, dass Spracherwerbsprozesse wenig gesteuert werden können; es lernen nicht alle Schülerinnen und Schüler in derselben Zeit auf dieselbe Art. Die Lernenden konstruieren ihr Wissen individuell. Binnendifferenzierung im Unterricht trägt dieser Tatsache durch verschiedene Angebote in Bezug auf Menge an Unterrichtsstoff, Schwierigkeitsgrad der Aufgaben oder Lernwegen Rechnung. Wenn man eine neue Sprache lernt, ist es normal, Fehler zu produzieren. Im Sinne der MSD soll dies nicht verhindert werden. Fehler sind ein wichtiger Indikator für den individuellen Spracherwerbsstand. Ein positiver Umgang mit Fehlern hat eine positive Auswirkung auf das Selbstvertrauen der Lernenden und auf ihre Risikobereitschaft, die Sprache anzuwenden und weiter zu entwickeln. In diesem Sinne werden Sprachproduktion und Sprachwissen nicht aufgrund von noch bestehenden Defiziten beurteilt, sondern aufgrund des bereits erreichten Sprachstandes. Es motiviert die Lernenden, wenn ihre Entwicklung gewürdigt und die Lernschritte dokumentiert werden. Da der kursorische Unterricht nicht aufgegeben wird, spielen Lehr- und Lernmaterialien auch im Fremdsprachenunterricht der Zukunft eine wichtige Rolle. Allerdings braucht es neue Materialien, die sowohl dem früheren Beginn des Fremdsprachenlernens als auch den neuen didaktischen Grundsätzen, allem voran dem fächerübergreifenden Ansatz, Rechnung tragen. Lehrmittel, welche die Prinzipien der MSD berücksichtigen, beinhalten authentisches 31 Hierfür wird der Begriff task-based learning verwendet, d. h. eine Unterrichtsmethode, die es dem Lernenden erlaubt, selbständig und autonom Lernaktivitäten auszuführen. 115 Schule und Mehrsprachigkeit im Kanton Graubünden Sprachmaterial, das dem Alter entsprechend einen Bezug zur Lebenswelt der Lernenden herstellt und gleichzeitig den Blick über die eigene Sprache hinaus in die Welt der Zielsprache öffnet. Sie ermöglichen Eigenaktivität und forschendes Lernen und lassen vielfältige soziale Interaktionen zu. Sie unterstützen und erweitern den Spracherwerbsprozess durch horizontale Vernetzung (in Bezug auf didaktische Elemente, Lehrplan, Kommunikations- und Lernsituationen, Beurteilungsmaterialien) und durch zyklische, aber nicht rein repetitive Vertiefung mit der Wiederaufnahme von sprachlichen und inhaltlichen Elementen in neuen Kontexten; sie sind lernzielorientiert und folgen nicht zwingend einer grammatikalischen Progression, sondern dem Aufbau und der Entwicklung von Handlungskompetenzen. Das Europäische Sprachenportfolio (ESP) ist ein zentrales Instrument der MSD. Es unterstützt die Wertschätzung von Mehrsprachigkeit, die Selbstbeurteilung, das inhalts- und handlungsorientierte Lernen, die vertikale Kohärenz zwischen den Stufen, die Lernautonomie sowie die Austauschpädagogik. Es ist ein Hilfsmittel für Lernende, um das eigene Lernen unabhängig vom Lehrmittel zu reflektieren und dokumentieren und die Fähigkeiten in einer oder mehreren Sprachen im europäischen Vergleich nachzuweisen. Das ESP, das bei vielen Lehrpersonen als zusätzliche Belastung angesehen und deshalb abgelehnt wird, soll in Zukunft den sprachlichen Lernprozess von Schulbeginn an begleiten. Es ist in drei Ausgaben für die Altersstufen 7-10-Jährige, 11-15-Jährige sowie Jugendliche ab 15 und Erwachsene einsetzbar. Allerdings ist aus den oben erwähnten Gründen die Einführung des ESP mancherorts umstritten. In Graubünden ist man noch weit davon entfernt. Ein weiteres, wichtiges Element der MSD ist der methodische Ansatz der Sprach- und Kulturbegegnung, der Sprachsensibilisierung und der Sprachreflexion, kurz ELBE genannt. ELBE steht für Eveil aux langues + Language Awareness + BEgegnung mit Sprachen. ELBE-Aktivitäten lassen sich in alle Schulfächer integrieren und können vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe II durchgeführt werden. Wie es der Begriff „Begegnung mit Sprachen“ suggeriert, geht es hier nicht um das Erlernen von Sprachen, sondern darum, das Interesse und die Aufmerksamkeit gegenüber Dialekten, Sprachen und sprachlichen Phänomenen zu wecken. Zudem regen ELBE-Aktivitäten durch Sprachvergleiche an, über Sprache nachzudenken, Unterschiede und Parallelen zu finden und Sprachmechanismen und Regeln auf die Spur zu kommen. Der Einbezug der in den Klassen vertretenen Migrantensprachen in ELBE-Aktivitäten fördert eine wertschätzende Haltung gegenüber anderssprachigen Mitschülerinnen und Mitschülern. ELBE-Aktivitäten visualisieren und valorisieren die sprachliche und kulturelle Heterogenität innerhalb einer Klasse und 116 Gian Peder Gregori, Manfred Gross, Vincenzo Todisco, Marco Trezzini wirken somit dem von Ingrid Gogolin geprägten Begriff des monolingualen Habitus der Schule entgegen.32 Die optimale Gelegenheit für Sprachhandeln und Sprach- und Kulturbegegnung sind Sprachkontakte mit Menschen der Zielsprache. Diese sind in einer Vielzahl von Varianten möglich: Brief- oder E-Mail-Kontakte, Kontakte übers Internet, gegenseitige Besuche, Treffen und Austausche von unterschiedlicher Form und Dauer. Besonders bewährt sich der rollende Austausch, bei dem wenige Kinder einer Klasse eine gewisse Zeit in Gastfamilien verbringen und die Schule an Ort besuchen, während gleichzeitig ebenso viele Kinder aus der Partnerschule einen Gegenaustausch absolvieren. Austauschaktivitäten verlangen von den Lehrpersonen viel Arbeit und Einsatz. Auf Graubünden bezogen haben einige erfolgreiche Projekte, etwa die Austauschprojekte der zweisprachigen Schule in Chur oder der Primarschule Pany, gezeigt, dass sich der Aufwand durchaus lohnt. Aufenthalte im Zielsprachgebiet und direkte Kontakte mit Sprecherinnen und Sprechern der Zielsprache bedeuten ein Eintauchen in eine andere Sprache, eine neue Kultur und eine neue Umgebung. Austausche bieten äusserst reiche Lernorte. Vor allem aber wird bei einem Austausch oder bei Sprachkontakten die Erfahrung gemacht, dass die fremde Sprache, die in der Schule unterrichtet wird, auch wirklich gebraucht werden kann und dadurch ein Gesicht bekommt. Dies ist die beste Motivation fürs weitere Sprachenlernen. Besondere Beachtung verdienen in Graubünden der bilinguale Sachfachunterricht und die Immersion. Dass Kinder im jungen Alter in der Regel besonders erfolgreich weitere Sprachen lernen, ist bekannt. Entscheidend aber ist, dass das nur zutrifft, wenn bestimmte externe Bedingungen erfüllt sind: Der Kontakt zur neuen Sprache muss – auch und gerade in der Schule – über einen längeren Zeitraum hin kontinuierlich, hinreichend intensiv und mit einem möglichst hohen Realitätsbezug gegeben sein. Der Beginn in der dritten Klasse setzt eigentlich zu spät ein, um der 3-Sprachenformel (Schulsprache, 1. und 2. Fremdsprache) gerecht zu werden. Der Schlüssel zur Lösung liegt wohl im Lehrverfahren. An Stelle des herkömmlichen, lehrgangsorientierten, stundenweisen Unterrichts bietet sich Immersionsunterricht an, eine wichtige Komponente der Mehrsprachigkeitsdidaktik.33 Bei Anwendung der Immersion wird die zu lernende Sprache nicht wie in der lehrgangsorientierten Methode als Lerngegenstand behandelt, sondern als Unterrichtssprache, indem der Sachunterricht in der zu lernenden Fremdsprache unterrichtet wird. Wissenschaftlich ist erwiesen, dass mit Immersion die neue Sprache weit erfolgrei- 32 Gogolin (1994). 33 Definitionen und Typologien des Begriffes der Immersion finden sich in Cathomas (2005). 117 Schule und Mehrsprachigkeit im Kanton Graubünden cher als mit traditionellen, lehrgangsorientierten Methoden gelernt wird. In Graubünden gibt es genug Beispiele dafür, denken wir nur an die im 3. Kapitel bereits erwähnten zweisprachigen Schulen im Engadin, in Chur und in Maloja. Aus all diesen Projekten geht klar hervor, dass beim Immersionsunterricht die Muttersprache nicht leidet, sondern eher noch profitiert, das Sachwissen nicht defizitär bleibt, sondern sich oft noch besser als im Regelunterricht entwickelt, und der frühe Erwerb einer weiteren Sprache die kognitive Entwicklung der Kinder nicht gefährdet, sondern längerfristig eher fördert. Immersion kann also als eine der erfolgreichsten Methoden, Fremdsprachen in der Schule zu vermitteln, betrachtet werden. Immersion und bilingualer Unterricht bezeichnen verschiedene Ausprägungen von Sachfachunterricht in einer Fremdsprache. Bei dieser Art von Sprachunterricht entsteht eine authentische Lernsituation, ähnlich wie bei einem Klassenaustausch oder einem Sprachaufenthalt über die Sprachgrenze hinweg. Der Schwerpunkt liegt auf der Erarbeitung von inhaltlichen Themen, die Sprache dient dabei als Transportmittel. So wird ganz im Sinne der MSD fächerübergreifendes Lernen möglich. Bei den Lernenden wird das Bedürfnis nach Wörtern, Begriffen und Strukturen in der Zielsprache geweckt, mit denen sich die Inhalte erfassen, formulieren und kommunizieren lassen. So wird die Fremdsprache teils unbewusst, ähnlich wie beim natürlichen Spracherwerb, teils bewusst und gezielt erworben. Deshalb sprechen auch Schülerinnen und Schüler, die im traditionellen Fremdsprachenunterricht wenig erfolgreich sind, auf diese Sprachlehr- und Sprachlernmethode positiv an. Die Ausgestaltung der Methode im Unterricht hängt von verschiedenen äusseren und inneren Rahmenbedingungen ab. Je nach Standort und personellen Ressourcen sind mehrere Modelle und Varianten möglich.34 Im bilingualen Sachfachunterricht unterrichtet die Fachlehrperson die Inhalte des entsprechenden Fachs teilweise in der Fremdsprache, wobei sie den Lernenden sprachdidaktische Unterstützung anbietet. Den Wechsel zwischen Unterrichtssprache und Fremdsprache vollzieht die Lehrperson geplant, nach dem Grundsatz „So viel wie möglich in der Fremdsprache, so viel wie nötig in der Unterrichtssprache.“ Bilingualer Sachfachunterricht und Immersion bieten sich auf der Primarstufe, besonders aber auf der Sekundarstufe I an, wo Jugendliche bereits mehrere Jahre lehrgangsorientierten Fremdsprachenunterricht erlebthaben und somit über eine solide Basis an Verstehens- und Kommunikationskompetenzen verfügen. Diesen Jugendlichen eröffnen sich durch immersiven Unterricht neue Lernmöglichkeiten und neue Zugänge zu Fremdsprachen. 34 Siehe dazu die in Kapitel 3. präsentierten Modelle. 118 Gian Peder Gregori, Manfred Gross, Vincenzo Todisco, Marco Trezzini Verschiedene Pilotversuche in der Schweiz (Wallis/Valais, Bern, Graubünden) zeigen, dass mit immersivem Unterricht nicht nur die Sprachkompetenzen verbessert werden, sondern dass auch der Aufbau von Wissen in den Sachfächern nicht beeinträchtigt wird. Die Evaluationen von Schulversuchen mit immersivem Unterricht weisen eine mindestens so hohe Verarbeitungstiefe und Lernqualität wie im traditionell einsprachigen Sachunterricht nach. Wie einleuchtend und viel versprechend all dies auch tönen mag, um eine Mehrsprachigkeitsdidaktik erfolgreich in der Schule zu implementieren sind eine ganze Reihe Massnahmen erforderlich. Zuallererst muss ein Gesamt- Schulsprachen-Curriculum erarbeitet werden, das im Rahmen einer integrierten Sprachpädagogik und unter Berücksichtigung der jeweils spezifischen Sprachenfolge die Ziele und Inhalte des integrierten Sprachenlernens formuliert und entsprechende Handreichungen zur Ausgestaltung des Unterrichts in den einzelnen Sprachen bietet. Natürlich müssen die Lehrpersonen entsprechend ausgebildet werden. In ihrer Arbeit müssen sie sich bezüglich der verschiedenen Fremdsprachen untereinander absprechen und zusammenarbeiten. Nebst der sprachlichen und fachlichen Ausbildung der Lehrpersonen müssen spezifische Lehrmaterialien für die einzelnen Schulsprachen erarbeitet werden, die entsprechend der MSD aufeinander bezogen sind und aufeinander aufbauen. Diese Neuerungen können nur mit Hilfe der Lehrpersonen durchgesetzt werden. Bekannt ist, dass eine Schulreform nur dann gelingen kann, wenn die Neuerung für die Lehrpersonen überzeugend ist, d. h. einen effizienteren und motivierenden Unterricht verspricht, und wenn man ihnen durch gutes Lehrmaterial die Durchführung ihrer täglichen Arbeit erleichtert. Im Auftrag des Amtes für Volksschule und Sport hat die Pädagogische Hochschule Graubünden im Bereich des ZSU-Italienisch viel Unterstützungsarbeit geleistet. Eine Evaluation dieser Bemühungen findet sich in einer von der Schule in Auftrag gegebenen Umfrage.35 Die gegenwärtige Reform im Bereich der Schulsprachen in der Schweiz greift tief in die vorhandenen Strukturen und Konzepte ein. Es ist deutlich abzusehen, dass die Erfüllung der Vorgaben der EDK ein langer Prozess sein wird, der viel kreatives Nachdenken erfordern und den Verantwortlichen viel Arbeit bereiten wird. Die Schweiz und Graubünden hätten allemal aufgrund ihrer günstigen gesellschaftlich-politischen und soziolinguistischen Ausgangslage die Chance, ein erfolgreiches Modell für die Entfaltung einer integrierten Schulsprachendidaktik zu werden. 35 Oscar Eckhard (2010). 119 Schule und Mehrsprachigkeit im Kanton Graubünden
Bibliographie
[edit]Bianconi, Sandro (1998): Plurilinguismo in Val Bregaglia. Bellinzona: Osservatorio Linguistico
della Svizzera Italiana.
Cathomas, Rico M. (2005): Schule und Zweisprachigkeit. Immersiver Unterricht: Internationaler
Forschungsstand und eine empirische Untersuchung am Beispiel des rätoromanischdeutschen
Schulmodells. Münster: Waxmann.
Eckhardt, Oscar (2010): Zweitsprachunterricht (ZSU) Italienisch in Graubünden: Welche
und wie viel Unterstützung brauchen die Lehrpersonen? Vortrag auf dem Kongress:
Mehrsprachiges Lehren und Lernen – wie weiter? Chur, 15.-16.9.2010.
Gogolin, Ingrid (1994): Der monolinguale Habitus der multilingualen Schule. Münster:
Waxmann.
Grünert, Matthias; Picenoni, Mathias; Cathomas, Regula; Gadmer, Thomas (2008): Das
Funktionieren der Dreisprachigkeit im Kanton Graubünden. Tübingen; Basel: Francke
[Romanica Helvetica, 127].
Haas, Walter (Hg.) (2010): Do you speak Swiss. Sprachenvielfalt und Sprachkompetenz in der
Schweiz. Nationales Forschungsprogramm NFP 56.
Le Pape Racine, Christine (2000-): Immersion – Starthilfe für mehrsprachige Projekte. Einführung
in eine Didaktik des Zweitsprachunterrichts. Zürich: Pestalozzianum.
Wiater, Werner (Hg.) (2006): Didaktik der Mehrsprachigkeit. Theoriegrundlagen und Praxismodelle.
München: Vögel [Augsburger Schriftenreihe, 73