Storia dla leteratura ladina/2.1.1
2.1.1 Matie Ploner (1770 – 1845)
Matthäus (Mathias/Matie/Moz) Ploner[1] wurde am 13. April 1770 in Urtijëi/ St. Ulrich geboren. Sein Vater Giuani Batista Ploner, auch er bereits Schullehrer und Organist in Gröden, wurde am 11. Dezember 1737 in Mittewald bei Franzensfeste geboren und starb am 21. Februar 1785 in Urtijëi/St. Ulrich. Seine Mutter war Dominika Welponer, Wirtstochter aus Bula/Pufels. [2] Der Grund, warum der Großvater Ploner in Mittewald weilte, ist unbekannt. Matie Ploner besuchte in Neustift die Musikknabenschule. Von 1785 (nach dem Tod seines Vaters) bis 1800 war er Organist und Lehrer in Urtijëi/St. Ulrich. In dieser Zeit wurde gerade die neue Kirche errichtet, für die sich Ploner – als eine Art Faktotum – sehr einsetzte. Am 7. Juni 1796 heiratete er Maria Anna Pitschielerin; die Ehe blieb kinderlos. Ab 1790 führte er einen Schreibkalender, eine Art Tagebuch, worin er fast täglich über die Geschehnisse im Tal berichtet. Im Jahr 1800 wurde er vom dortigen Dekan als Organist nach Kastelruth berufen, wo man ihn 1805 auch zum Gerichtsanwalt ernannte. Einer der Gründe für den Umzug nach Kastelruth scheint gewesen zu sein, dass Ploner von seinen St. Ulricher Landsleuten nicht allzu gut behandelt wurde und in seinem Heimatdorf ein sehr niedriges Einkommen hatte (vgl. Moroder 1950b, 61 – 62). 1830 wurde er – bereits 60-jährig – als Pfarrorganist und Singlehrer nach Brixen berufen, wo er am 27. April 1845 starb (vgl. Sotriffer 2000 – 01, 95 – 143; CdG 2001, 50 – 55).
Prosa:
- 1785 bis 1799: Schreibkalender (erhalten sind jene aus den Jahren 1790, 1793, 1796, 1798 sowie 1799; ausführliche Chronik auf Deutsch, geordnet niedergeschrieben 1836 und
- 1841) und 6 Journale. Privatbesitz Familie Moroder Rusina (Urtijëi/St. Ulrich; vgl. Forni 1996, 170 – 171).[3]
- 1807: Sechs „kleine Erzählungen“ (Volksanekdoten auf Grödnerisch mit it. und dt. Übersetzung). In: Steiner 1807, 45 – 49; Erzählungen I., II. und V. auch in Mitterrutzner
1856, 23 – 26. Gedichte:
- 1800 ca. (1806 laut Moroder 1906[4]): La vedla Muta (Die alte Jungfer). In: Vian 1864, 200 – 201.
- 1813.3.17: Gratulazion de Seniëur Matie per l sant inuem de si amik, Seniëur Bepo Mahlknecht, ugrister a Urtiſhëi, 1813 (Glückwunschgedicht zum Namenstag von Bepo Mahlknecht,
Organist in St. Ulrich). In: Kalënder ladin 1915, 61 – 63; Chiocchetti 2007b, 450 – 454 (mit it. Übersetzung).
- Vor 1821: Ko ke Seniëur Bepo Mahlknecht, ugrister d’Urtishëi, a da fe a giapè Stina del Sigat (Wie sich Herr Bepo Mahlknecht, Organist von St. Ulrich, anstellen muss, um Stina
del Sigat zu bekommen). In: Kalënder ladin 1915, 55 – 60; Chiocchetti 2007b, 422 – 427 mit it. Übersetzung; Teilabdruck (V. 54 – 170) bereits in Kokodek! (1910) 7 – 9. Titelvariante: Fete da catif deseng. Privatbesitz Familie Senoner Vastlé (Sëlva/Wolkenstein).
- 1828.3.19: Gratulaziong dei cari Curaziangs da Bulla (Glückwunschgedicht der lieben Seelsorgsangehörigen von Bula/Pufels für den Kuraten Josef Frenes). In: Kalënder ladin 1915, 63 – 65; Chiocchetti 2007b, 419 – 422 (mit it. Übersetzung).
- 1828.10.21: L vedl mut (Der Junggeselle). In: Calënder de Gherdëina 1912, 38 – 43.
- 1828: Je song beng stat (Ich bin schon gewesen). Canon (unauffindbar).
- 1837: Pere aud, tant adaut (Vater höre, wie laut). Grußgedicht für den Trientner Fürstbischof Josef Nepomuck von Tschiderer (unauffindbar).[5]
Die Tagebuchaufzeichnungen des Matie Ploner
Seine im Alter auf Deutsch verfasste Chronik nennt Ploner selbst Pro memoria.[6] Die am 15. Jänner 1836 in Brixen begonnene Niederschrift ist im Grunde nichts anderes als eine Zusammenfassung der von Ploner in den Jugendjahren geführten Schreibkalender bzw. seiner Journale.[7] Er berichtet darin detailliert über die Situation der Schützenkompanien, über die Bewegungen der französischen und bayerischen Feinde, die von Süden kamen, sowie über einzelne Schlachten, dann über die Situation in Gröden zur Zeit der Tiroleraufstände und wie er am 29. Mai 1809 zusammen mit Andreas Hofer an der Schlacht am Bergisel teilnahm. Im Tal wurde am 16. Oktober 1796 die neue Kirche von Urtijëi/St. Ulrich eingeweiht und die Primizmesse von Ujep Antone Anderlan dl Pilat zelebriert. Auch erwähnt Ploner die Schwierigkeiten, eine Orgel für die neue Pfarrkirche zu erhalten und wie Gemeinde und Seelsorger ihn diesbezüglich allein gelassen hätten. Schließlich schildert er seinen Umzug nach Kastelruth.
Die zweite Chronik trägt das Datum: Brixen, den 3. Oktober 1841. Auch diese ist von erheblicher Länge. Darin wird detailliert über den Bau der neuen Kirche in Urtijëi/St. Ulrich berichtet.[8] Wir erfahren so (S. 362) auch über ein von Ploner verfasstes Gedicht, das der Zimmermeister am 24. August 1794 bei der Firstfeier deklamierte, und dass Ploner anlässlich der von Fürstbischof Karl von Lodron am 4. September 1797 vorgenommenen Kirchweihe eigens für den Chor den Hymnus Ecce Sacerdos magnus komponierte.
Sechs kleine Erzählungen
Mit den kleinen Erzählungen Ploners wird kurz nach 1800 der Anfang der dolomitenladinischen erzählenden Literatur gemacht.13 Die sechs Volksanekdoten auf Grödnerisch sind insofern datiert, als sie Josef Steiner, Pfleger zu Kastelruth, der sie von Ploner erhielt, in seinem Artikel Die Grödner (Kapitel IX der Reihe Der Sammler für Geschichte und Statistik von Tirol) im Jahre 1807 in Innsbruck mit einer italienischen und deutschen Übersetzung veröffentlichte (Steiner 1807, 45 – 49).
Ob diese Anekdoten ursprünglich schon auf Ladinisch erzählt und von Ploner nur niedergeschrieben wurden oder ob er sie ins Grödnerische übersetzt hat, wissen wir nicht, doch die Vermutung, mit diesen Erzählungen erstmals originale ladinische Prosa vor uns zu haben, liegt nahe, wenn Steiner 1807, 37 – 38 behauptet: „Den Anekdoten oder kleinen Erzählungen setze ich eine italienische Übersetzung gegenüber, um den Leser in den Stand zu setzen, die Ähnlichkeit und die Verschiedenheit dieser beiden Sprachen leichter zu beurtheilen. Eben darum zog ich eine bloß wörtliche Übersetzung, in der ich dem Gange der grödnerischen Erzählung von Wort zu Wort folgte, einer besser italienisch stilisirten vor.“ Über den Ursprung der deutschen Übersetzung sagt Steiner aber nichts.14
Anekdote 415
Una muta schoeuna, koe avòva vuoeja doe se maridè, a tgiappà da si segnioeura vint Toleri poer se fè la dota. La segnioeura a ulù udèi l’noevitsch. La muta l’a preschentà. Koest fova ung buser curt, gross, stramb, melfatt, y burt assè. Praest koe la segnioeura l’a udù, s’a la fatt maruöja, y disch: O poer l’amor doe Dìoe! Kaest tu es liet ora poer ti noevitsch, y poer ti vuem? Co t’espa poedù inamurè t’una tel persona? O mi segnioeura, respuend la muta: tgiè cossa pong avèi doe böll poer vint toleri?
„Ein junges Mädchen, das sich verheiraten wollte, erhielt von seiner Frau zwanzig Thaler zum Heiratgute. Die Frau wollte den Bräutigam sehen. Das Mädchen stellte ihn vor. Dieser war ein kurzer, dicker, krummbeiniger, schlecht gebauter und sehr hässlicher Kerl. Sobald ihn die Frau sah, erstaunte sie, und sagt: Um Gottes Willen! Diesen hast du dir zu deinem Bräutigam und zum Manne erkiesen? Wie hast du dich denn in eine solche Figur verlieben können? O meine Frau, antwortet das Mädchen: was kann man auch für zwanzig Thaler Schönes haben?“ (Steiner 1807, 46 – 47). 13 Vgl. Kalënder ladin 1915, 93: „ ,Kleine Erzählungen‘ per gherdëina. … këstes ie la prima ‘stories’ k’ankunton te n liber, …“ (,Kleine Erzählungen‘ auf Grödnerisch. … dies sind die ersten ,Geschichten‘, die wir [auf Grödnerisch] in einem Buch antreffen). 14 Die erste einschlägige Erwähnung spricht von einer Übersetzung: „…eine der sechs Anekdoten…, welche Steiner ins Grödnerische übersetzt hat“ (Steub 1846, 440). Der Kalënder ladin 1915, 93 behauptet hingegen: „…kësta pitla stories a metù adum seniëur Matiè Ploner i seniëur Ushëp Insam, Landrichter a Kudon (Gufidaun), ke Steiner foa n tudësk“ (… diese kleinen Geschichten haben Herr Matiè Ploner und Herr Ushëp Insamzusammengestellt, denn Steiner war ein Deutscher.“ Infolgedessen schreibt auch Belardi 1994, 156 Ploner die Autorschaft zu. 15 Unter dem Titel La dota (Die Aussteuer) in ähnlicher Form auch in NL 1.2.1951, 3. 140 Matie Ploner (1770 – 1845) Gherdëina/Gröden Anekdote 5 Ung vuem, tgiarià doe debitg, koe fova sterk ammalà, a dit a si cunfessoeur, koe la soeul grazia, k’oel avoessa da damandè a Dìoe, fossa d’y schlungiè la vita fin a tant, k’oel pudæssa pajè i debitg. L’cunfessoeur kerdòva, koe l’ammalà avæssa bona intention de sodeschfè ai debitoeurs, y respuend, koe kæsta fossa una bona gauscha poer sperè, koe Idìoe eschaude si preghioera. Sche Dioe me faschæssa kæsta grazia, disch l’ammalà, se autang viers ung amic, fossi segùr doe ne murì mèi. „Ein mit Schulden beladener Mann, der schwer krank war, sagte zu seinem Beichtvater: die einzige Gnade, um die er Gott zu bitten hätte, wäre, ihm das Leben auf so lange Zeit zu verlängern, bis er seine Schulden bezahlen könnte. Der Beichtvater glaubte, er habe die gute Absicht, seine Gläubiger zu befriedigen, und antwortet: es sei dies ein guter Grund zu hoffen, dass Gott seine Bitte erhöre. Wenn mir Gott diese Gnade erwiese, sagt der Kranke, sich gegen einen Freund wendend, so wäre ich versichert, dass ich nie sterben würde“ (Steiner 1807, 47 – 48). Laut Kattenbusch 1994, 131 – 132 resultiert die von Ploner bzw. Steiner gewählte Grafie aus dem Bemühen um eine adäquate und verständliche Wiedergabe der grödnerischen Laute für die deutschen Leser, stellt aber keinen Kodifizierungsversuch für das Grödnerische selbst dar. La vedla Muta und L vedl Mut: zwei frühe Perlen der ladinischen Literatur Von Matie Ploner stammen ein 6 bis 12-strophiges Gedicht mit dem Titel La vedla Muta (Die alte Jungfer)16 und ein 12-strophiges Gedicht mit dem Titel L vedl Mut (Der Junggeselle).17 La vedla Muta muss um 1806 verfasst worden sein (vgl. Moroder 1906). L vedl Mut hat Ploner hingegen laut Tagebucheintrag am 21. Oktober 1828 geschrieben (vgl. Sotriffer 2000 – 01, 115). Es sind dies seine bekanntesten Gedichte. Ploner hat noch weitere Gedichte dieser Art geschrieben, doch die meisten dürften vernichtet worden sein, wie Ujepantone Comploj (vgl. Kalënder ladin 1915, 55) berichtet: De si cianties n’onse me plu n valgunes. […] I na gran pert ie danz unides desdrudes da tei, ke udova massa fosk, davia ke les ti savova m pue massa mondanes i da massa n bon umor. (Von seinen Liedern haben wir nur noch wenige. […] Ein großer Teil davon ist von jenen Leuten vernichtet worden, die alles zu schwarz sahen, denn die Gedichte erschienen ihnen zu mondän und mit einem zu freien Humor). Kurz davor hatte bereits Gartner 16 Das Gedicht ist mit 6 Strophen abgedruckt in: CdG 1966, 45 – 47 (hier auch L vedl Mut); Gabrielli 1994, 165 – 168 (zu dieser Version vgl. Moroder-Lusenberg 1908, 13) und Forni 1996, 184 – 186; mit 5 Strophen als Liedtext in Demetz 1982, 62 – 64; mit 10 Strophen in: CdG 1984, 82 – 85 (nach einem Manuskript des Fassaners Giuseppe Mazzel); mit 12 Strophen in: Vian 1864, 200 – 201; Gartner 1879, 103 – 104; Moroder-Lusenberg 1908, 13 – 14; Kalënder de Gerdëina 1911, 34 – 35; NL 1.9.1949, 3; CdG 1966, 45 – 47 (zu dieser Fassung vgl. Gartner 1910, 356). 17 Erwähnt in Gartner 1910, 356: „Derselbe (= Matie Ploner, RB/PV) hat 1829 auch ein Vödl mut gedichtet, der aber noch nicht gedruckt ist; ebensowenig sind es andere dichtungen von ihm“; gedruckt erst in Calënder de Gherdëina 1912, 38 – 43 (mit dt. Übersetzung). 141 Gherdëina/Gröden Matie Ploner (1770 – 1845) 1910, 355 bemerkt, dass man „heitere dichtungen […] in diesem tal nicht der veröffentlichung wert gefunden“ hat. La vedla Muta und L vedl Mut wurden nach der gleichen Melodie gesungen (vgl. Demetz 1982, 64), die von keinem geringeren als Johann Baptist Gänsbacher (1778 – 1844), seinerzeit Domkapellmeister in Wien, geschrieben worden war.18 La Vödla Muta (um 1800) 19 Die alte Jungfer 1. Ne giapà, song vödla Muta! Ich habe Keinen bekommen, bin eine alte Jungfer! die schana!20 chië cosa burta? „sapperlot“! so ein Pech ne giapè a maridè? Keinen zum Heiraten zu finden? je ne giape plu el sè ! Ich werde Keinen mehr kriegen, das weiß ich! Je song vödla y smarida, Ich bin alt und verwelkt, n’iancung Vödl me marida. nicht einmal ein Alter heiratet mich. Chie ei mei de seng da fè? Was soll ich jetzt nur tun? Per un vuem ne muei picche Für einen Ehemann will ich mich nicht erhängen vödla Muta uei restè. will eine alte Jungfer bleiben. 2. Se ben je, y ch’el böl Diè Ich weiß es, und auch Gott, ch’è ben fat il fati miè; dass ich das Nötigste getan habe; ma na Merda al schua, doch einen Dreck hat es genützt, je ne n’e impò giapà! ich habe doch keinen bekommen! E’ prova pra 100 per diesa! Bei 100 habe ich es versucht, verflucht! y son corsa tant A dliesa: und bin so sehr in die Kirche gelaufen: Sant Antone n’a schudà, der Hl. Antonius hat nicht geholfen, dutg i Santg ma tralascha! alle Heiligen haben mich verlassen! dutg i Santg ma tralascha. Alle Heiligen haben mich verlassen. 18 Das Notenblatt ist abgebildet in Chiocchetti 1994, 182 – 183 sowie 2007b, 413 – 414. Die Komposition Gänsbachers ist in drei verschiedenen Redaktionen überliefert (vgl. Gabrielli 1994, 160). Jedoch geht Demetz 1982, 62 davon aus, dass das Lied kaum jemals im Volke bekannt geworden sei, denn die Melodie war keineswegs im volkstümlichen Stil komponiert (es handelt sich um ein Lied mit Klavierbegleitung). Eine weitere Melodie zur Vedla Muta hat 1832 Giuseppe Mazzel komponiert (vgl. CdG 1984, 83 – 85). 19 Text laut Faksimile in Chiocchetti 1994, 182 [A] (aus Moroder-Lusenberg 1908, 13 übernommen; vgl. auch Gabrielli 1994, 165 – 168). Forni 1996, 183 hält diese Version in 6 Strophen (nach einer Kopie von Franz Moroder de Jan Matie) schon allein deshalb für die älteste, weil sie nicht zensuriert scheint. Forni 1996, 195 – 196 vermutet sogar, dass jüngere Versionen von Ploner selbst „abgeschwächt“ worden sein könnten. It. Übersetzungen finden sich bei Forni 1996, 189 – 191 und Chiocchetti 2007b, 414 – 415. Moroder-Lusenberg 1908, 14 bietet auch eine Übersetzung ins Tirolerdeutsche, die für die erste Strophe folgendermaßen lautet (und dem humoristischen Ton des Originaltextes etwas näher kommt): Hâb net kriëg, bin âlte Jungfer; / meiner Seal, ist dös a schieche Sâch, / net z’n heiraten kriëgen! / I kriëg nimmermear, sel woas i! / I bin schon âlt und verblüet, / net amol a Alter möcht mi heiraten! / Wâs hân i lei jetz ze tiën? / Wegn an Mânn heng i mi net au!! / Âlte Jungfer will i bleiben! 20 Ausruf, vergleichbar mit per dieja ‘verflucht’ in Strophe 2.
142 Matie Ploner (1770 – 1845) Gherdëina/Gröden
3. Vo Mutons, auteis la Völes Ihr Burschen trefft eure Wahl do Dinei y do la Bölles. nach dem Geld und den Schönen. Ma de cuer je vè Wünsches, Doch von Herzen wünsche ich euch, che la bölles ve crepes!!! dass euch die Schönen krepieren!!! Je ne fóve drè tan burta, Ich war gar nicht so hässlich, un puec goba, stramba curta: ein wenig bucklig, eigensinnig, klein: ma da pò che n’è giapà, doch nachdem ich Keinen bekommen habe, el Desdeng m’ha ruinà hat mich die Verachtung zerstört. 4. T’ortisei, ei fat la prova; In St. Ulrich habe ich es versucht; ma de gung ne me tgialòva!! doch keiner sah mich an!! Dlaite ènche nò Im Talinneren21 auch nicht, chëi da Sacun via dò! die von St. Jakob noch weniger! Chei Mutons la su da Bulla, Die Burschen von Pufels oben, marides in’and n’a Mulla. würden eher eine dumme Ziege22 heiraten. O Mutons dal cuer tan dur, Oh ihr herzlosen Burschen, la vendeta ven’g segur! die Rache kommt bestimmt! 5. Je ne se, da de ai Uemes, Ich kann den Männern nur che blestemes seurainuemes! Flüche und Übernamen geben! giache vo mè eis tradì, denn ihr habt mich verraten, muessi enche vè la dì: so muss ich euch die Meinung sagen: Ne ve fese plu Menines: Von mir gibt es keine Liebkosungen mehr: ve sautesse gieng tla tlines!! am liebsten würde ich euch an den Kopf springen!! Sibe vödl oder scheun, Alt oder jung, ve mazzes pa pu el Toun!! soll euch doch der Blitz erschlagen! 6. Gia per me, ne n’iel plu vella! Nun, für mich gibt es keine Wahl mehr! me faré tost santarella, ich werde bald ins Kloster gehen23, chest sarà per me Uneur, das wird für mich eine große Ehre sein, plu che fé cun vo l’amor. mehr als mit euch zu schlafen. Se l’Wünschè ne schóva nia, Wenn das Wünschen nichts nützt, me farè de dò mo Stria, werde ich mich noch in eine Hexe verwandeln, y farè de vo un Mull, und aus euch einen Maulesel machen, con la Coda soural Cull. mit dem Schwanz über dem Arsch. Der inhaltliche Unterschied zum etwas jüngeren Vedl Mut ist frappierend und vielsagend. Während die Vedla Muta – immerhin kämpferisch – jammert, keinen Mann gefunden zu haben, brüstet sich der Vedl Mut damit, viele zur Auswahl, doch keine gewollt zu haben, denn keine war für ihn gut genug. 21 Damit sind die Ortschaften Santa Cristina/St. Christina und Sëlva/Wolkenstein gemeint. 22 mula meint hier „ragazza o donna, … poco responsabile e poco affidabile“ (Forni 1996, 190 FN 20), Tirolerdeutsch Lausgitsch; Gabrielli 1994, 168 und Chiocchetti 2007b, 414 glossieren wörtlich, aber weniger zutreffend, „un’asina“. 23 Wörtlich: ich werde mich bald scheinheilig machen. 143 Gherdëina/Gröden Matie Ploner (1770 – 1845) ‘L Vödl Mut (1828) 24 Der Junggeselle 1. Öês giapà, bên 100 per una; Wohl 100 hätt’ ich bekommen für eine, ma scusà – ne m’à deguna doch gefallen hat mir keine. me’ na bona ei cercà; Nur eine Gute habe ich gesucht, ma na tela n’ei giapà. aber eine solche habe ich nicht gefunden. Ie lassês inant la testa, Ich möchte eher den Kopf verlieren, chê mê to ‘na tel rie pesta, als ein solch böses Weib zu nehmen, chê me da un tel guviern, das mir eine solche Pflege angedeihen lässt, sche c’un fossa te l infiêrn. als ob ich in der Hölle wäre. In den Strophen 2 bis 11 beschreibt der vedl mut, wie viel Schlimmes man erlebt, wenn man heiratet, da die Frauen in der Ehe die Macht übernehmen, das Geld ausgeben, betrügen und befehlen: 7. 7. La dira: ‘l ie seng la moda, Sie wird sagen: Es ist jetzt Mode, che ‘n outa ‘ntour la roda! dass man das Rad umkehrt! Caro tù! – es intendù? Mein Lieber! Hast du verstanden? El schadas es beng udù. Den Nudelwalker hast du schon gesehen! S’te ne stes sotta mi zocchi, Wenn du nicht schön unter meinen Pantoffeln bleibst, cul schadás aures (avres) ti cochi! wirst du mit dem Nudelwalker deine Prügel bekommen. Chel che je vuê (vu e) es da fe, Was ich will, hast du zu tun, che ch’je ne vue es da lasché! was ich nicht will, hast du zu lassen! Schließlich erinnert er noch daran, dass es sogar den Heiligen in der Ehe schlecht ergangen ist und beschließt, ledig zu bleiben. 12. 12. Crive pu tel bölla Betes Sucht euch nur so schöne Lisbeths. aurëis tost sul ciê cornetes Ihr werdet bald Hörner auf dem Kopf haben; crive pu de (me do) vos gust – sucht sie euch nach eurem Geschmack, ugniuna ha si fust – jede hat ihren Stock. Chi’nouêl longies, chi’nouel (ŋ uel) curtes Einige mögen lange, andere kurze, chi’nouel foŝes, chi’nouel burtes einige schwarze, andere häßliche, ma ugniung aurà asè – aber jeder wird genug haben daran, ie per me lês lase sté – ich für meinen Teil, ich lasse sie bleiben. Eiles me dira del dut – Sie werden mir alles Mögliche nachsagen, Ma jë reste vedl mut. aber ich bleibe Junggeselle. Zum Thema der alten Jungfer und des Junggesellen → 2.2.15. Im Fassatal kursierten ähnliche Liedtexte unter dem Titel La Gardenera (vgl. Chiocchetti 1995b 166 – 191; → Giovan Battista Zacchia) bzw. La passion de una fia soulla richa e che ha troppes morosi (Die Leiden eines unverheirateten reichen Mäd- 24 Text laut Chiocchetti 2007b, 416 – 418 (mit it. Übersetzung); mit dt. Übersetzung in CdG 1912, 38 – 43. 144 Matie Ploner (1770 – 1845) Gherdëina/Gröden chens, das zu viele Heiratsanwärter hat) (vgl. Chiocchetti 1995b, 186 – 187; 2007b, 252). In diesem ist es ein reiches Mädchen, das sich entschließt, allein zu bleiben, weil ihr keiner der Werber gut genug ist. Gratulazion de Seniëur Matie per l sant inuem de si amik, Seniëur Bepo Mahlknecht, ugrister a Urtiſhëi, 1813 Bereits 1813 hatte Ploner seinem Freund und Nachfolger als Organist in Urtijëi/ St. Ulrich, Bepo Mahlknecht, ein Glückwunschgedicht zum Namenstag gewidmet. Das Gedicht besteht aus 199 Versen in Paarreimen, die sich Grödnerisch und Deutsch abwechseln. Ploner lobt darin den Namenspatron seines Freundes, den Hl. Josef, als guten Handwerker, Meister der Zimmermänner und Erzieher. Sein Freund Bepo soll sich daran ein Beispiel nehmen, wie er seinen Sohn Jesus erzogen hat. Er soll als Lehrer die schlechte Jugend recht hart züchtigen. Nach einem zeitgeschichtlich bedingten Seitenhieb auf Napoleon (auf Italienisch) und den Glückwünschen schließt das Gedicht mit (Brixen), den 17 März 1813. Dein Freund. Dieses Gedicht scheint uns aus struktureller Sicht etwas schwächer als die anderen Gedichte Ploners zu sein, es gehört aber mit La vedla Muta und L vedl Mut zu seinen populärsten (vgl. Chiocchetti 2007b, 394). Ko ke Seniëur Bepo Mahlknecht, ugrister d’Urtishëi, a da fe a giapè Stina del Sigat Dieses im Kalënder ladin 1915, 55 – 60 mit dem Untertitel Da Seniëur Matie Ploner, ugrister a Ciastel (1800 – 30) abgedruckte Gedicht ist nicht genau datiert, doch könnte es vor oder um das Jahr 1821 entstanden sein.25 In 235 vierhebigen Versen (einige wenige sind zweihebig), meistens im Paarreim, beschreibt Ploner vorerst, wie Bepo sich benehmen soll, wenn Seniëur Kristl, der Onkel der Braut, auf Besuch kommt: Fete da katif da sënn! Ziehe dich richtig festtäglich an! Kanke Seniëur Kristl vën. Wenn Herr Kristl kommt. Ne te stilè inshi de lën! Und benimm dich nicht tölpelhaft! Stina del Sigat ist die Enkelin von Herrn Kristl Perathoner del Sigat, der in Florenz wohnt und auf eigene Kosten der Kirche von Urtijëi/St. Ulrich den Körper des Hl. Benedikt geschickt hat (vgl. Kalënder ladin 1915, 55 FN 1). El nes a mandà de bant Er sandte uns umsonst, Su si spëises n korp sant. Auf eigene Spesen einen heiligen Körper, Percie kl ie uem drët bon i rik, Weil er ein guter und reicher Herr ist, L al dat debant a San Durik. Schenkte er ihn der Kirche zum Hl. Ulrich. 25 Aus den Heiratsbüchern des Pfarrarchivs Urtijëi/St. Ulrich geht hervor, dass ein Josef Malknecht, geboren 1785 in Santa Cristina/St. Christina, am 5. Juni 1821 in Urtijëi/St. Ulrich Maria Ursula Aldosser geheiratet hat. Dieser Josef Malknecht dürfte der im Gedicht Bepo genannte Freund Ploners sein. 145 Gherdëina/Gröden Matie Ploner (1770 – 1845) Bepo soll dem Onkel die Hand küssen, ihn für seine Wohltat loben, ihn nach seiner Gesundheit fragen, Komplimente machen und nicht erröten, wenn er Stina die Hand gibt. Bossi po drët bel la man, Küsse ihm anständig die Hand Di: sëise bën nton i san? Und sage: sind Sie auch wohlauf? Fei n bel gran kumplimënt; Mache ihm ein großes Kompliment; Ma ne unì drë tan ruënt Aber werde nicht knallrot, A tukè la man a Stina. Wenn du Stina die Hand reichst. Bepo soll auch die Braut nach ihrem Befinden fragen. Ies bën ënke drët nton? Du bist sicherlich auch recht gesund? O shi, shi, te ciëles bon, Oh ja, du schaust wohlgenährt aus, T’es n bel gran sumenton! Du hast ein schönes großes Kinn! Langsam soll er es angehen lassen, aber sich vor anderen Werbern in Acht nehmen. L maridè ie shike n ſhuek, Das Heiraten ist wie ein Spiel, N muessa fe a puek a puek: Man muss es langsam angehen lassen: A sunè pra l klavier Lass beim Klavierspielen Lasha ſhi la mans lesier! Die Hände leicht darüber streichen! Sën mët verda dant al dut Und pass nun vor allem auf, I ciëla ke t’la giapes, Dass du sie auch bekommst. She n auter vën po ala ulëi, Wenn ein anderer um sie wirbt, Po di: ce vues pa tu kujon, Dann sage zu ihm: was willst du Blödmann, Po sauti pu me ti ciavëi Springe ihn ruhig an, reiße ihm die Haare aus, I dai tel kul n bon kalzon. Und gib ihm einen Fußtritt in den Hintern. Perete! di: Sh’t’es piesh i mans. Sage: Wehre dich! Wenn du Füße und Hände hast. She no ne ſhi plu a mutans. Ansonsten gehe nicht mehr auf Brautschau. Tu ne unì plu te mi fava, Und komme mir nicht mehr in die Quere, O te akuse pra ti ava! Sonst erzähle ich es deiner Großmutter. Wenn sich Stina am Anfang auch etwas ziert, muss er hartnäckig bleiben, bis sie, auf Deutsch oder Italienisch, zusagt. Tel prim farala n pue l sord (sëurd) Am Anfang wird sie sich ein wenig taub stellen I dirà bel puek i nia; Und kaum sprechen; Po muesses tu i fe l’akord. Dann musst du es in die Hand nehmen. Ie son tie i tu ies mia, Ich bin der Deine und du bist die Meine, Sën ses tu, bela stria. Jetzt weißt du es, schöne Hexe. Ne me tre giut per l nes, Führe mich nicht lange an der Nase herum, She tu ne n’ues to me, Wenn du mich nicht nehmen willst, N’ulon fe gran prozes, Wollen wir nicht lange
- ↑ Ploner wurde in Urtijëi/St. Ulrich nachweislich auf den Namen „Matthäus“ getauft (vgl. Sotriffer 2000 – 01, 97), dessen ladinische Form aber mit jener von „Matthias“ zusammenfiel und folglich auch im Deutschen ein Schwanken der Schreibung ausgelöst hat.
- ↑ Zu den Eltern Ploners vgl. die literarische Erzählung in Rubatscher 1935, 17 – 43 (dt.) und Runggaldier 1981, 10 – 26 (lad.).
- ↑ Bereits Ploners Vater verfasste ähnliche Schreibkalender und Journale (die Kalender von 1762 und 1780 sowie zwei Journale sind noch erhalten).
- ↑ Das mit „22. Jänner 1828“ datierte Manuskript ist eine Abschrift (vgl. Moroder 1906).
- ↑ Wir wissen von beiden Texten aus den Aufzeichnungen Ploners. Am 22. Juli 1828 notiert er in seinem Journal: „Wir probirten meinen Canon: Je song beng stat “, am 22. Mai 1837 in seiner Chronik: „Das Gedicht in Grödnersprache: Pere aud, tant adaut Hl. Curaten nach St. Ulrich übermacht; da der Bischof v. Tschiederer am 13ten dort auf Visitation ankommt“ (vgl. Sotriffer 2000 – 01, 122, 126).
- ↑ Sie beginnt mit dem Bibelzitat Cogitavi dies antiquos. Psalm 76.6 (Ich gedenke der alten Zeit). Ab und zu finden sich darin auch Wörter und kurze Sätze auf Ladinisch, z. B. Eintrag vom 21.3.1792: La Cuoga de Calonia … y mutscheda a Capril (Die Pfarrersköchin … und nach Caprile geflohen); vom 29.5.1818: Cartá fina la 3 a buon ora, coi Segnoures y Doct. Tolentin (Karten gespielt bis 3 Uhr früh mit den Herren und dem Doktor Tolentin); vom 18.8.1818: La Donnes tlo a marenda (Die Frauen hier zum Mittagessen); vom 18.6.1826: senza mel pedu schi poche e abu el liam (Ich konnte ohne Schmerzen gehen, weil ich einen Verband hatte) (vgl. Sotriffer 2000 – 01, 114; Forni 1996, 172).
- ↑ Vgl. die Einleitung dazu: „In meiner Jugend [ab 1785, vgl. Sotriffer 2000 – 01, 142] schrieb ich [d. h. Ploner, RB/PV] von Jahr zu Jahr ein Journale, wo Tag für Tag alles bezeichnet wurde, was vorgegangen war […]. Dies ist aber zu weitläufig und zeitraubend. Hier schreibe ich nur ein Pro memoria für mich, als Extract jener Begebenheiten, die mich selbst interessieren; z. B. Tagesereignisse, Kriegsbegebenheiten, über den Bau der neuen Kirche und Orgel zu St. Ulrich in Gröden, über meine Reisen, Bemerkungen über meine guten Freunde, Bekannte, u. Anverwandte etc.“ (Sotriffer 2000 – 01, 99).
- ↑ Der Originaltext ist in Rubatscher 1929, 309 – 313; 360 – 369 veröffentlicht worden, eine grd. Übersetzung in CdG 1948, 32 – 43; 1950, 56 – 60 (vgl. Sotriffer 2000 – 01, 107). Um den Kirchenneubau in Urtijëi/ St. Ulrich rankt sich eine Anekdote, die mehrmals auch in literarischer Form aufgegriffen wurde: ‘Nce tieres juda a fe dliejes (Auch Tiere helfen Kirchen zu bauen) in CdG 1957, 86 – 88; Coche n liever à curì l tët de ciampanil (Wie ein Hase den Kirchturm eingedeckt hat) in Runggaldier 1981, 19 – 26 (Übersetzung von Rubatscher 1935, 44 – 61).