Page:Labi 1998.djvu/281

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Der 1803 verabschiedete Reichsdeputationshauptschluss setzte dem geistlich-weltlichen Doppelcharakter der Kirche - in Tirol besonders dem der Hochstifte Brixen und Trient - ein Ende; Säkularisierung und Industrialisierung brachen Strukturen auf, in deren Folge der Klerus seine traditionelle Position in Gesellschaft und Staat zu behaupten und sogar auszubauen suchte.

Die Strategien, die dabei verfolgt wurden, sowie die Positionen, welche die Tiroler Geistlichkeit in den zum Teil heftig geführten Auseinandersetzungen vertreten hat, sind vor allem für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts recht umfassend und ausführlich aufgearbeitet worden.[3] Bekannt ist auch, dass die Standpunkte der Kirchenoberen vor allem vom Seelsorgeklerus, von den «einfachen» Pfarrern auf dem Lande unter das Volk gebracht wurden und dadurch nicht nur das politische Bewusstsein der Bevölkerung, sondern auch dessen Haltung zu Staat und Obrigkeit, Fortschritt und Moderne massgeblich und auf lange Zeit geprägt worden sind. Denn das «Ansehen, das der Tiroler Klerus bei den breiten Massen des Tiroler Volkes - Kleinbürgertum, Bauerntum, christlich eingestellte Arbeiterschaft jeder Art - genoss, war noch gross; nicht weniger beträchtlich war aber auch sein Einfluss auf diese Massen.»[4]

Weniger bekannt beziehungsweise keineswegs genauer untersucht worden ist bisher die Frage, aus welchen sozialen Schichten jene Multiplikatoren der Kirchenpolitik kamen und welchen Regionen sie entstammten. Die Feststellungen beziehungsweise Vermutungen von Hans Kramer über die soziale Herkunft der Tiroler Priester vor 1914 sind wenig differenziert und deshalb nicht besonders aussagekräftig. Danach dürfte ihr soziales Herkunftsprofil «nicht anders gewesen sein als in anderen deutschen Kronländern der alten Monarchie. Der Zuzug aus dem Adel zum Klerus war gering. Jedenfalls hatte er in der Geistlichkeit längst keine beherrschende Stellung mehr. Der Nachschub aus dem Bürgertum dürfte mittelmässig gewesen sein. Die meisten Priester kamen aus dem Bauerntum.»[5] Generell ist an diesem Befund wohl nicht zu rütteln und er hält auch weitgehend einer differenzierteren Betrachtung der Brixner Theologiestudenten stand, auf die aber an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden soll. Vielmehr soll im folgenden auf die regionale Herkunft der Priesterseminaristen in der Diözese Brixen näher eingegangen werden, wobei nur fallweise auch eine sozial differenzierte Betrachtung dieses Personenkreises vorgenommen wird.

Die folgenden Überlegungen und Befunde zur Tiroler und Vorarlberger

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HISTOIRE DES ALPES - STORIA DELLE ALPI - GESCHICHTE DER ALPEN 1998/3