Page:H.M. Zwischen den Rassen.djvu/132

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Zukunft verheißen und nicht geruht, bis sie zur Branzilla reiste. Wie Lola ins Zimmer trat, machte die Alte gerade ihrem Mann eine Szene: dem angebeteten Tenor von einst, der nun fett, leer und ängstlich umherschlich. Sie warf ihm seine alten Geliebten vor, das Unrecht, das er ihr bei dem und dem, vor dreißig Jahren gesungenen Duo getan habe, und daß er ihr zur Last liege. So oft Lola das Paar beisammen traf, war’s das gleiche; der Alte flüchtete, die Augen gen Himmel gerollt; — und als Lola einmal nach Beendigung der Stunde das Vorzimmer öffnete, da hing er an der Decke … Und nun ihre Bosheit sich auf den Mann nicht mehr ausleeren konnte, bespie die Alte damit alle Welt, vertrieb die letzten Schülerinnen, brachte Lola bis zu Tränenkrisen. Aber mochte Mai sich empören, Lola blieb ihrer Tyrannin treu, folgte ihr blindlings in alle die Hauptstädte, wo die Branzilla ehemals gefeiert worden war, und wo sie nun das unbekannte Dahinleben nicht ertrug; schlichtete die Streitigkeiten, die die Alte in den Hotels, den Geschäften und überall anzettelte; sorgte für sie; ließ sie ihre kopflosen Ungerechtigkeiten herunterkeifen und schloß den Auftritt mit einem festen und doch geduldigen „Adieu, Madame“, — worauf sie zur genauen Stunde wiederkehrte. Statt einem Gesetz, einem Befehl, die ihr Leben nicht kannte, unterwarf sie sich den Launen einer Hexe; und ihre Zickzackfahrten durch Europa waren nicht planlos, da sie hinter der herführten, in der, wie in einer Ruine, der Geist einer großen, fast schon entschwundenen Kunst hauste.

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