Page:H.M. Venus.djvu/277

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Sie reiste noch weiter. Den Komiker hatte sie vergessen. Aber ein Ziel lag vor ihr, ein ungewisses. Sie wußte genau, hier kam etwas ganz Neues, etwas noch Unausgedachtes, wovor man nicht einmal Furcht haben konnte, so unfaßbar war es. Und in einer Spannung, die ihren Atem kürzer machte, saß sie steif aufrecht am Fenster und richtete ihr weißes, mageres Profil gegen die Haide, auf die es schneite.

Endlich sah sie es.

Der Zug hielt auf freiem Felde, denn das Geleise war mit Schnee überhäuft. Sie stieg aus und sah den Krähen zu, deren Flug in das Gestöber hinein Gestalten zeichnete. Es war nur eine Gestalt, und mit einem schwarzen Fluge kam es immer näher. Es grinste ihr zu, kalt und unentrinnbar.

Und in der Spanne eines einzigen Herzschlages zerrissen alle die gestickten Schleier, die ihr Geist jemals ausgespannt hatte vor dem Nichts. Kunst und Liebe, der Stolz auf eine freie Seele: alles flatterte auf. Alles zerstob vor ihren Augen: die Größe der Gebärden, die prangenden Formen, die Farben in ihrem Glanze, der Worte Pomp.

Sie fühlte sich nackt unter diesem Grinsen im Schnee. Sie öffnete, nach vorn geworfen, gebannt und angelockt, beide Handflächen, wie zu einem Willkommen. Und ein erstarrter Rest von den Tänzen einer Bacchantin war in den Grüßen, womit sie den Tod empfing.

 
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