Page:H.M. Venus.djvu/256

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habe ich erschaut, was nie jemand begreift: daß ich gar nicht hätte leben sollen. Es hat ja nicht gestimmt hei mir! Ich habe den Weg verfehlt und das Zusammentreffen versäumt mit der, die mich erst gerechtfertigt hätte!“

Er fühlte sie hinter sich, ganz nah, — und er hatte Lust, hier, unter ihrem Blick, den Kopf auf die Arme zu legen und zu fchluchzen. Dann erschrak er und fragte sich, ob das etwa Litteratur sei.

„Ist alles erkünstelt? Will ich ein Stück daraus machen? Bin ich nur ein gleichgültiger Buchstabiere! von Schicksalen, der sich des Handwerks wegen zum Erleben nötigt?.. Ich kenne mich nicht. Wer je aus einer Empfindung einen Vers geformt hat, der darf sich nicht mehr glauben. Das ist das Schlimmste.“

„Und wenn sie mir sagte: Ja, ich will dich lieben —“ so sprach er in die Flut von giftiger Röte dicht unter seinem Munde, „felbst dann noch wäre es ein Irrtum. Wie es ein Irrtum war, sie, meine Geliebte, verstehen zu wollen. Eine Geliebte versteht man nicht. Sie haben recht, die vollkommenen Frauen, die Geister und Künstler zugleich sind, — daß sie nur sehr einfache Männer lieben, nur folche die gar nicht gescheit genug sind, um sie mit ihrem vorgeblichen Verständnis zu peinigen oder zu langweilen. Dieser Nino! Daß ich nicht einmal eifersüchtig sein kann! Denn wie liebt er sie, — und wie liebe ich sie! Es ist gar nicht dieselbe Frau, die wir lieben! Wir sind kaum Nivalen. Für alles, alles zu klarsichtig. Am Ende jedes kurzen Traumfluges stoße

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