Page:H.M. Venus.djvu/187

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keinem Unglück kann sie je erliegen, keine von allen Enttäuschungen wird sie in Zweifel stürzen, am Leben oder an der eigenen Wünschenswürdigkeit. Bis zum letzten Atemzug wird sie bereit bleiben, Neues zu erproben. Noch aus dem Tode — ja, noch aus ihm, dem einzigen, der uns, seine scheuen Bewerber, rächen könnte an denen die ihn hassen, — noch aus dem Tod wird sie ein Vergnügen machen, eine Scene, ein Spiel!“

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Inzwischen drohte und bat der Dichter. Er sprach im Namen seiner Werke: er dürfe sie nicht in die Hände dieser beiden liefern, des Trunkenen und des Verblutenden. Ob sie nicht gütig werden wolle und bescheiden, und aufhören, die Buhlerin der ganzen Welt zu sein. Ob sie vor der Schwelle seines weißen Hauses als ein Idol sitzen wolle, züchtig und aufmerksam. Ob sie in sein Herdfeuer Träume flüstern wolle, die sein Genie groß machen würden … Sie wollte nicht. Sie war fern und frei, so fest sie sich um ihn schmiegte. Mitten in seiner Verzweiflung und seinem Toben gönnte sie ihm ein wenig Linderung und Hoffnung, denn sie zeigte ihm eine Thräne. Bald erkannte er, daß dieser Tropfen nicht mehr Gnade enthielt, als einer, womit das Meer oder der Himmel ihn bespritzt hätten. Sie war die Courtisane des Himmels, des Meeres, der Erde. Keines Mannes stilles Haus würde sie fassen. Er ließ sie los: sie möge gehen. Er deutete ergeben nach dem Tempel, aus dem Abend hervor

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