Page:H.M. Venus.djvu/183

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gewahr ward, sich hastig zurückziehen wollen. In ihm überstürzten sich die Erinnerungen an Qual und Schmach, die der Anblick dieser Frau in Bewegung setzte. Ohne Geistesgegenwart, feucht und zitternd, überließ er ihr schließlich seine Hand. Die ihrige war gelassen und kühl. Sie wußte kaum noch, daß sie sich einmal vierundzwanzig Stunden lang mit seiner Hilfe unterhalten hatte. Sie fragte ihn allerlei, und er stotterte Antworten.

„Sie ahnt nichts,“ dachte er, „sie ahnt gar nicht, wer ich bin, und was sie mir ist: die Schande, in der ich mich einst gewälzt und nach der ich mich gesehnt habe! Wenn ich ihr sagte, daß ich heute nacht auf meinem Lager zittern werde vor Wut und Demütigung, — sie würde nicht begreifen. Das ist das Entsetzlichste, die Ahnungslosigkeit dieser Glücklichen! Nie streift sie ein Gedanke an das, was sie zertritt. Auf keine Weife kann ich ihr nahekommen, und wenn ich mich zerrisse. Es ist unmöglich, sie zu demütigen und zu strafen durch den Anblick des Leidens: sie hat kein Organ, es zu sehen!“

Der König Phili rief noch immer nach der Staatsgewalt.

„Verbieten, Majestät!“ sagte Siebelind voll Gram. „Glauben Euere Majestät im Ernst, daß es hier etwas zu verbieten giebt?.. Ich bitte mich nicht mißzuverstehen, das Abzeichen meines Sittlichkeitsbundes verbrennt mir heute abend die Brust — hier in diesem verseuchten Thal! Untersagen Sie immerhin diese Vorstellung — gut. Aber können Sie machen,

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