Page:H.M. Venus.djvu/18

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Einige Stunden weiter schaute sie, lächelnd über ihre vorige Träumerei, in die lieblichen Gefilde Toskanas. Zu ihren Füßen schlängelte sich der Arno zwischen Pappeln und Weiden. Die lange Straße säumten Städte; hell und gepflegt ruhten sie in ihren Weinfeldern, wo an kleinen gegabelten Gerten die Bäumchen rankten. Ein sanfter, heiterer Hauch spielte herein zu ihr. Der Himmel blaute, milde und voll, und sie dachte: „Warum gehe ich nicht durch die regelmäßige Allee auf jenen gelinden Hügel und zu dem anmutigen Herrensitz. Die wohlbekannte Gruppe von Cypressen und Pinien überdacht ihn; er ist viereckig und trägt auf seiner Mitte einen flachen breiien Turm. Wie glücklich wäre ich auf seiner Terraffe, über diesem maßvollen Lande und vor dem reinen Gold seiner Sonnenuntergänge.“

Am Nachmittag zog durch Wolkenschatten und um schwärzliche Trauminseln mit rosigen Schlössern der Trasimenische See. Umbrien ließ seinen Wald anschwellen zu steilen Wellen, es ließ ihn altes Gemäuer verschlingen und die letzten Hügel umkränzen, in blauer Märchenferne. Aber mitten im Plan, auf abschüssigem, schwarzem Fels, den Schlinggewächs einsargte, ragte die Stadt mit Zinnen und Türmen, ockerfarben und fast ohne Fenster, in sich hineinstarrend auf ihren Traum. Er war von fchwerem, sinnenbelastetem Drange himmelwärts, und haftete in einem Gefängnis, das unerbittlich Wache hielt über dieser Erde.

Aber sie dehnte sich; sie ward kahl und feierlich. Aus zersprungenen Wolken brachen Lichter wie Schwert blitze. Der Wind führte mit sich das Echo alter

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