Page:H.M. Minerva.djvu/79

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„Ich habe die Schwäche,“ entgegnete er. Dolan brummte:

„Mein Lieber, Sie haben ein konträres Kunstempfinden.“

Properzia sprach für sich, innig und weltvergessen.

„Ach! Wie wäre es klar! So viel wie möglich einander sehen und sich einfach lieben, ohne List und Umwege, ohne Scham noch Lüge, ohne ein getäuschtes Verlangen und ohne Gewissensbisse. Zu Zweien leben und jeden Augenblick sein Herz geben. Unsere Gedanken achten, soweit wie wir hineinzutauchen vermögen. Aus unserer Liebe keinen Traum machen, sondern hellen Tag, und frei darin atmen…“

Sie brach ab, denn sie merkte plötzlich, daß alle verstummt auf sie horchten. Ihre tiefe, dunkel bewegte Stimme klang noch nach; in diesem Augenblick fand jeder Properzia schön. Lady Olympia lehnte sich zurück, schloß die Augen und machte „Ahh!“ Jakobus und Graf Dolan klatschten Beifall. Die Bildhauerin fah umher, ohne Verwirrung und ohne Freude.

„Ich habe nur ein Gedicht nachgesprochen,“ versetzte sie.

Und darauf ward sie wieder vergessen. Ihre Worte hatten jeden angeregt, und jeder ging seiner Begierde nach. Mortaeil flüsterte, mit dem Munde dicht über Lady Olympias stolzer Schulter. Sie stand auf und drehte ihm den Rücken zu. Er begab sich zu Clelia und schaute, ohnmächtig und gereizt, hinter der großen Frau her. Das junge Mädchen schielte, ohne

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