Page:H.M. Minerva.djvu/57

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Exempel. Aber man bildet sich ein, das alles seien Liebesdramen!“

„Sie haben recht, so lange Sie sprechen. Aber wenn wir jedem jungen Mädchen ihre reichen Flechten abschneiden und von ihrem armen Wesen das bißchen Goldstaub wegwischen wollten, — gestehen Sie wenigstens, daß das traurig wäre.“

„Es wäre redlich, wie die Aufdeckung eines Betruges. Schönheit ist unsittlich,“ erklärte er, bissig und gramvoll.

„Vergebung!“ stieß er gleich darauf im Kavalleristenton hervor. „Man ist ja nicht von Holz. Solch allerliebster Schelm hat ja unzweifelhaft auch … Als ich noch jung und schiin war…“

Sie betrachtete ihn, als sähe sie ihn zum erstenmal, diesen Popanz, der abwechselnd greinte und schnarrte, diesen forschen und kläglichen, seltsam verwandlungsfähigen und unheimlich tiefen Fremden. Er war gebügelt, gescheitelt, parfümiert und in jeder Einzelheit von letzter Neuheit. Aber der erste beste Vorübergehende besaß die Macht, ihn den Kopf senken, die Hand an die Stirn führen und von feinem Wege abweichen zu lassen. Herausfordernd und behindert hinkte er dahin, eine musterhaft angezogene GliederPuppe, die es verbroß, daß nur andere über ihre Muskeln verfügten und nicht sie selbst.

Sie gingen zwischen den engen Pforten, die ihnen hier und da die Menge öffnete, immer weiter: durch den Saal der Diana, die Treppe hinab und in die Hülle, und zurück bis an die Schwelle des Venussaales.

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