Page:H.M. Minerva.djvu/304

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beiden Cypressen stachen hinein, und die zwei weißen Tauben verfingen sich darin. Sie flatterten sanft davon, mit Füßen gleich Blutstropfen.

Der runde Platz versank langsam in Grau. Die Herzogin nahm den Knaben bei der Hand; sie durchschritten wieder die Allee des Schweigens. In einem schrägen Sonnenstreif flimmerte der Kies violett. Jede der steinernen Gestalten ergab sich der Einsamkeit und dem Dunkel. Einmal leuchtete eine auf; wie Nino sich umwandte, war sie nur noch eine Schattenform. Der breite Himmelsfluß, droben zwischen den schwarz gezackten Lebensbäumen, zog träge und blaßsilbern. Und unter ihm bewahrten alle das Schweigen: ergebungsvolle Weise, geduldige Liebende, verschüchterte Götter.

Der Knabe schwieg an der Hand seiner Geliebten, deren Gewand schaukelte. Er sagte sich mit Bedacht:

„Ich werde wohl auch einmal sterben, so seltsam das ist. Dann will ich daran denken, daß ich diesen Tag erlebt habe. Was soll das Übrige?“

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„Ist es denn nicht möglich?“ fragte er sich eine Woche lang, in den Irrwegen der Bosketts, auf dem Berge, bei den Brunnen und in seinem Zimmer, — und „Was?“ antwortete er sich selbst.

„Sie nennt mich ihren Freund. Niemals lächelt sie über mich, nicht einmal wenn ich mich verraten habe und mich schäme. Sie selber gesteht mir Geheimnisse, — ich begreife sie nicht, doch erschrecken sie mich, und ich

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