Page:H.M. Minerva.djvu/249

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Nach einer Weile flüsterte Gina:

„Die lieben, lieben Kunstwerke —“

Sie brach ab, sie atmete mühsam.

„Die Luft ist schon wieder schwer geworden. Wie die Wolken sich verfinstern, und die Lagune alle Farbe verliert! Ich bin sehr traurig.“

„Warum, Gina?“

„Ich muß Venedig verlassen, um für mein Kind noch ein wenig zu leben. Diese schöne Stadt tötet mich, — es wäre ein zu glücklicher Tod, hier inmitten der Tröstungen meiner lieben, lieben Kunstwerke. Ah! Sie sind gütig und treu, sie bedrücken den Schüchternen nicht. Vor den Vergewaltigungen durch Menschen bin ich zu ihnen geflüchtet, die so feierlich zu mir sprechen, und dabei so innig. Ich verschwinde in ihnen, ich vergesse den Menschen, der ich war, und wie mißhandelt und entwürdigt er von andern Menschen war, — und es bleibt von mir nichts übrig als das Gefühl, erwärmt im Sonnenschein der Bilder.“

„Ich aber,“ sagte die Herzogin, „ich werde erst ganz Ich im Umgang mit den Bildern! Nur sie sind meinesgleichen, nur bei ihnen genieße ich meinen ganzen Stolz und die Liebe, deren ich fähig bin. Ich habe, seit sie mich zu ihrer Freundin machten, voller, verschwenderischer, mutiger gelebt als früher, da ich Staaten umwerfen wollte und tausend Menschen für mich sterben ließ.“

„Leben?“ flüsterte Gina. „Ich will es ja vergessen, das Leben.“

„Ich nicht. Mein Kunstgenuß ist kein Verzicht,

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