Page:H.M. Minerva.djvu/240

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„Das ist ja erstaunlich! So zum Erschrecken schön war sie niemals; nie von so verzehrender und so fruchtbarer Schönheit. Das ist das Leben in Wollust, das ich malen will: das ist Venus, die ich in ihr vorausahne, und die mir gehört! O, jetzt giebt es keinen Zweifel mehr … Und ihre Kraft wachst an diesem Sterbebett! Sehe ich nicht ihre Lippen sich höher röten? Es ist, als hätte der abgelebte Leib hier vor uns sich schon geöffnet und Tausende neuer, namenloser Keime ausgeschüttet, — der Kreislauf sei schon vollendet, und das heiße Leben schlüge nun, wie dieser Gewesene es vielleicht kannte, uns beiden ins Gesicht. Ja, auch ich fühle es: wie ein Jungbrunnen sprüht es aus der Maske des Todes, empor zu uns, in unsere Augen und Münder, und erfüllt uns mit etwas Berauschendem. Sie wird nicht leugnen, daß es Liebe ist!“

„Herzogin!“ sagte er leise und fast herrisch.

„Ich weiß schon,“ sagte sie, ihm gegenüber, und atmete schwer auf. Sie hatten beide gleichzeitig den Ruck gespürt, der sie aufheben wollte über das Bett und den Sterbenden fort, in einem Taumel, einander an die Brust. Sie klammerten sich jeder an einen Bettpfosten, und sie sahen sich an, im unruhigen Schein der einzigen Kerze, blaß und mit einem unbewußten Lächeln.

„Sie gehören mir,“ begann er wieder. „Sie sind ja die Venus.“

Er stemmte die Hände auf das Bett und starrte sie an, über seine Brillenränder hinweg. Sein Bart

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