Page:H.M. Minerva.djvu/207

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San Vacco und die Herzogin hörten zu. Nino biß sich auf die Lippen und dachte:

Aber meinen Knochen hat er noch niemals befühlt. Ob Onkel San Bacco denn gar nichts von ihm gemerkt hat?

Er nannte es seinen Knochen, und es warf ihn, so oft er daran dachte, in die Ängste einer geheimen Schmach. Es war aber die eiserne Stange eines Geradehalters, die unter seiner Blouse neben seiner linken Seite stand. Die Riemen umspannten die Schulterblätter. Er betrachtete das Instrument des Abends bei sorgfältig verriegelter Thür, mit ernsten Augen und festverschlossenem Munde. Dann, mit einem Entschluß, riß er es sort, warf die Kleider vom Leibe und trat vor sein Spiegelbild, trotzig erhobenen Hauptes.

„Zwischen der Brust und den Schultern ist es zu hohl,“ sagte er sich mit Strenge. „Die Brust ist zu spitz. Ich habe es noch neulich bei dem bronzenen David gesehen, wie eine Jünglingsbrust aussehen soll, — o, ganz anders als meine … Du mußt arbeiten, es wird besser werden…“

Und er begann Turnübungen zu machen. Aber es war ihm unheimlich zu Mut. Auf einmal ließ er den geschwungenen Arm herabsinken und legte sich zu Bett.

„Und wenn das auch nicht wäre. Der Hals ist ja viel zu dünn. Und kann ich denn hoffen, daß aus meinen Handgelenken jemals ein ordentlicher Männerarm herauswächst? Jeder gewöhnliche Mensch hat ja festere

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