Page:H.M. Minerva.djvu/204

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unterste ist unser Empfangs- und Speisezimmer, darüber wohnt Mama, dann Onkel San Bacco, und ganz oben ich.“

„Du hast also eine weite Aussicht?“

„Alle fünf Kuppeln von San Marco. Und die ganze Fassade beinah von San Zaccaria. Aber das Merkwürdigste ist der Brunnen drunten auf unserem kleinen Platz. Er ist achteckig und hat einen Deckel mit einem Schloß. Nie sah ich einen Brunnen mit einem Schloß. Jeden Morgen in aller Frühe kommt ein kleiner Buckliger, hören Sie nilr, ein kleiner Buckliger mit einer spitzen roten Mütze und schließt ihn auf. Es ist sehr geheimnisvoll.“

„Ach!“ sagte sie rasch, „den kleinen Buckligen muß ich ja kennen … Nein, doch nicht, das war früher. In dem Schloß, wo ich als Kind lebte, war so einer. Er rasselte mit einem großen Schlüsselbund, und den wichtigsten, eben den zum Brunnen, ließ er auch im Schlafe nicht aus der Hand … Nino, ich hätte dir vieles zu erzählen.“

Sie sann. Die Ruhestunde in diesem befreundeten Gemach erschloß ihr noch einmal den Frieden der eigenen Kindheit.\ „Ich habe Ihnen ja auch so viel, so viel zu sagen,“ erwiderte Nino mit Begeisterung. In ihrer Stimme fühlte er einen Zauber, der ihn hinriß.

„Und besonders, daß ich Sie ganz —“

„Jetzt bekommen wir auch noch Mnsik,“ verhieß San Bacco und spitzte das Ohr. Nino lief ans Fenster, tief rot und zitternd.

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