Page:H.M. Minerva.djvu/194

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„Ja. Aber ich war es sonst nicht: — wenn Sie mich früher gekannt haben, werden Sie es wissen.“

Sie dachte:

„Was ist dieser schönen Frau? Sie zittert. Ihr Gesicht sollte uns allen wie eine Sonne sein, und jetzt sehe ich zu, wie es leidet, und muß sie bedauern. Was kann ich ihr Besänftigendes sagen.“

„Hören Sie, Herzogin. Das Schicksal ist einfach und gerecht, glauben Sie das nur. Ich danke ihm meine Rettung. Ich war in der Gegend von Ancona an einen Gutsbesitzer verheiratet, einen Landbaron, der sich betrank, mein Vermögen verspielte, mir die Mägde vorzog. Er mißhandelte mich in der Zeit, als ich ihm ein Kind geben sollte. Und ich starb vor Angst und Ekel bei dem Gedanken, das Kind könne ihm ähneln. Ich stellte mich krank, um nicht mehr sein gerötetes Gesicht sehen zu müssen, mit den Borsten, den gekniffenen Lippen, der niedrigen Stirn voller Gewaltsamkeit. Auf welchen schöneren Zügen konnte ich mein Auge ruhen lassen? Es gab an unserm kahlen Ort nur eine einzige schöne Sache, eine kleine Kirche, hundert Schritte von unserm Wohnhaus. Ihre Mauern waren bedeckt mit Stuckaturen, lauter kleinen lachenden Genien. Auch ein Bild war da, ein Knabe in goldenen Locken und langem pfirsichroten Gewande. Er hielt die linke Hand hinter sich, zwei Frauen in lichtgelb und blaßgrün hin. Mit silberner Ampel leuchtete seine Rechte ihnen voran, durch den in Finsternis versteckten Garten … Was haben Sie, Herzogin?“

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