Page:H.M. Minerva.djvu/19

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und drohten, — nach den Wänden voll großer, kühler oder begehrlicher Leiber: sie herrschten über jeden, der sie ansah.

„Sie haben wieder einen schwachen Augenblick,“ sagte der Maler. „Trotzdem wird man Ihnen eines Tages in diesem Hause eine Gedenktafel setzen, mein lieber Siebelind. Es wäre nicht ganz so köstlich, wenn Sie nicht ganz so findig wären.“

Und er streifte mit der Hand eine nackte schreitende Figur; sie erhob sich vor der violetten Stickerei eines Pfauengefieders.

„Bloß diese Fama?“ sagte Siebelind. „Zeigen Sie mir gefälligst auch die nackte Judith hier gleich gegenüber: eine lebendige Gotteslästerung. Zeigen Sie mir den nackten Knaben, der Ball fängt, den nackten Gaukler, der auf den Händen steht, das nackte Weib auf dem Rücken dieses unflätigen Centauren … Das alles und noch mehr habe ich aufgestöbert in den staubigsten Winkeln, am Fuße von Brückenpfeilern, in sechsten Stockwerken und unter der Erde. Kolossale Findigkeit, sehr recht, mein Lieber. Ich bin findig wie ein Staatsanwalt bei mir zu Hause oder wie ein Konsistorialrat. Keine Nacktheit verbirgt sich vor mir! Mit gekniffenen Lippen gehe ich auf sie los. Sie, bester Jakobus, der Sie die Nacktheiten lieben, entdecken nicht die Hälfte von denen, die sich mir in den Weg stellen: denn ich hasse sie.“

Herr von Siebelind schnarrte, reizbar und männlich. Er ermöglichte seine Bekenntnisse durch eine Färbung von weltmännischer Ironie. Jakobus lachte ihn an.

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