Page:H.M. Minerva.djvu/123

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hin, über die Füße der Pallas und durch die Olivenzweige, die sie ganz umranken. Wir folgten ihnen, berückt und lächelnd. Nun sind sie, wie zum Scherz, in ein offenes Grab hineingeflogen. Wir stehen davor, wir fafsen es nicht.“

Und sie stand lange starr, den Boden betrachtend; er öffnete sich ihr.

Dann aber überkam sie wieder jene heiße Verachtung, wie für eine Verwandte, die die Familienehre befleckt hätte.

„Wie konnte es geschehen!“ sagte sie zu der Unsichtbaren.

„Deine Seele gleicht der Büste, die die Stadt überdauert, worin sie aufgestellt war. Eine Medaille ist jedes deiner Worte; es wird mancher seine Zeit überleben, den du gekannt hast — wie jener Kaiser, der verschollen wäre ohne die Münze, die ein Bauer aus dem Acker wühlt. Deine Gefühle fügen sich wie Verse, stärker als Erz und langlebiger als Götter. Der widerspenstige Fels spürt auf ewig das Siegel deines Traums.“

Sie wiederholte sich oftmals diese Worte: Strophen, gemeißelt zum Ruhme der Kunst von einem Meister, der ihr gehörte. Am Ende sagte sie sich, beruhigt und geweiht:

„Wie könntest du tot sein, da ich ja deine Hand fortwährend in meinen Geist hineingreifen fühle. Sie stellt immer neue Bilder darin auf. Er enthält weite Länder, die du bevölkert hast mit deinen Halbgöttern, verschlossen, langsam, stark und ohne Lachen, — wie

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