Page:H.M. Minerva.djvu/114

From Wikisource
Jump to navigation Jump to search
This page has been proofread.

ihn unter gleichen Verhältnissen. Sie blieb bis zuletzt. Mortœil war davongeschlichen hinter den andern. Die Herzogin äußerte:

„Er macht einen recht heruntergekommenen Eindruck. Was haben Sie nur mit ihm angefangen? Seine Augen sind wie heißes Glas.“

„O,“ machte Properzia langsam, — und sie ging, fieberblaß, umsichtig und gespannt, durch die weite Werkstatt, als folgten noch immer fünfzig neugierige Blicke ihren Wendungen.

„Er sieht seit neulich, seit unserer seltsamen Nacht, eine Properzia, die die andern nicht sehen. So oft er kann, tuschelt er an meinem Ohr, und ich spüre dabei noch immer über mein entkleidetes Fleisch seine Begierden hintasten wie warmfeuchte Fingerspitzen.“

„War Ihre Nacht so seltsam?“

„Fragen Sie ihn. Er hat sich von seinem Schrecken noch nicht erholt. Ich ließ ihn kommen. Wie er den Vorhang meines Zimmers aufnahm, erblickte er mich ganz nackt, auf einem Liegestuhl, zwischen Fellen und Kissen. Ich war sehr schön. Zum erstenmal in meinem Leben fühlte ich die hohe Kunst, die ich sonst im Marmor vergrabe, in meinen Gliedern. Die Kerzen standen schräg hinter mir: Kopf und Hals lagen zurückgebogen und dämmerig. Auch der untere Teil der Beine verschwand. Aber von den Brüsten bis über die Schenkel fiel das goldgelbe Licht. Es glitzerte um mich her in der halben Finsternis von goldenen Körnchen in schwarzer Gaze. Der Goldbrokat hinter meinen Schultern brannte dunkel. Ich hatte eine

98