Page:H.M. Minerva.djvu/101

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Zwanzig Stunden später wußten alle, daß Clelia und Mortœil sich aufs neue verlobt hatten. Die Herzogin eilte zu Properzia. Sie fand sie in ihrem hellen, weiten Atelier am Rio di San Felice, wie sie mit Hammer und Meißel in Händen, bebend und entrückt, an der Wölbung eines ungeheuer breiten, halbrunden Reliefs hin und her eilte. Die Herzogin deutete die Bilder.

„Das sind die Liebenden in der Hölle! Das sind, in einem irren Flug, wie Stare im Winter, jene Verdammten, die Liebe vertrieb aus unserm Leben, und die nun umherwirbeln in der purpurnen Nacht, unter dem entsetzlichen Auge des Minos. Da vorn tritt er selbst prall aus dem Block, mit gefletschten Zähnen, und wirft sich den Schweif zweimal um den Leib.“

„Properzia,“ bat die Herzogin, „wollen Sie mich nicht einmal begrüßen? Ich möchte Sie küssen dafür, daß Sie arbeiten.“

Aber die Bildhauernl hörte nichts. Brennenden Auges, mit zusammengepreßtem Munde flog ihr schwerer Körper von einer Marmorgestalt zur andern, und ihre zornige Hand hieb, eine Rächerin, auf jede ein, verließ sie und kehrte zu ihr zurück, als dürfe keine der bang Ächzenden in der Runde je erkalten und Ruhe erlangen.

„Ist es nicht,“ dachte die Herzogin, „als sei Properzia selbst die höllische Windsbraut, die diese im Leben von ihren Trieben Umhergejagten nun durch die Ewigkeit hetzt? Oder ist sie der Abgrund und

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