Page:H.M. Im Schlaraffenland.djvu/370

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Mit einem Satz war sie am Flügel, sie stemmte die Tafel in die Höhe und riß an den Saiten, daß sie schrillten. Dann schlug sie die Tasten an; sie entdeckte, eine nach der andern, sechs Noten von „Heil dir im Siegerkranz“.

„Hat ihm schon,“ bemerkte sie. „Es stimmt. Nu zeigen Sie aber mal selber Ihre Kunststücke und was Sie mang den feinen Leuten gelernt haben. Denn Sie sind doch so viel länger bei als ich.“

Andreas errötete. Sogleich fiel er ingrimmig über die Klaviatur her. Er haschte nach melodiösen Erinnerungen, fand nur eine Polka und begann zu hämmern. Er entlockte dem Instrument ein so wütendes Getöse, daß die Scheiben, klirrten und die Armleuchter gläsern klingelten. Ein Knistern und Rascheln kam aus den Falten der seidenen Vorhänge, eine Thür sprang auf, und die kleine Matzke ward davongefegt wie im Sturm. Sie drehte sich, hingerissen von der jähen Tobsucht einer Mänade, die Arme in der Luft, den Kopf im Nacken, die roten Haare verweht über das käseweiße Gesicht, mit geschlossenen Augen, weit offenem Munde und umrauscht von der Schleppe ihres Schlafrockes, die wie ein riesiges blaues Gefieder fortwährend aufflatterte und sich senkte. Ein blinder Zusammenstoß mit dem Ebenholztisch, der die Schale aus Elfenbein von ihrer Staffelei herabwarf, rief die Eigentümerin der Villa Bienaimée aus ihrem Taumel zurück. Sie blieb stehen, eine Hand aufs Herz gepreßt, keuchend und noch halb bewußtlos, und sie flüsterte, selig lächelnd:

„Det war doch mal ’n Jefiel.“

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