Page:H.M. Die kleine Stadt.djvu/255

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übrige Zeit sah ich den Himmel an und ließ das Leben vergehen. Was aber geschieht mir, seit ich dich liebe!“

Sie löste sich von ihm, richtete sich auf, sah gerade aus. Ihr bleiches Profil, die Nase zierlich und scharf gebogen, das Kinn in gerade Schatten gefaßt, erblickte er im düstern Glanz des Auges geschliffen wie einen Dolch.

„Wirst du mich immer lieben?“ fragte sie und sah ihn an. Er drückte die Lider zu, betastete das Herz, als schmerzte es, und schüttelte heftig den Kopf.

„Immer.“

„Sage mir, welche Frauen du vor mir geliebt hast!“

„Keine! keine! Ich schwöre es dir. Ich weiß von keiner andern Frau, ich werde von keiner wissen. Alba, wie ich dich liebe!“

„Nello, wie ich leide!“

„Auch du?“

„Und wie wir glücklich sind!“

Sie saßen sich zugewandt, die Knie verschränkt, die Hände eines jeden gespreizt auf dem Rücken des andern, und atmeten einander, aus tödlich gespannten Gesichtern, leise keuchend in die halboffenen Münder.

„Um Vergebung!“ wisperte es; und immer durchdringender:

„Um Vergebung!“

Aufseufzend ließen sie sich los. Drunten auf der Terrasse tanzte der Barbier Nonoggi, zwei Finger preßte er unter schwindelnden Grimassen ans Herz, auf die Lippen und wieder aufs Herz.

„Ich wollte, da ich gerade dem Herrn Nardini den Bart gemacht habe, die Herrschaften nur warnen, weil Gefahr droht. Meine Absichten sind die redlichsten, und niemand kann schweigen wie ich. Sogleich aber wird der Advokat Belotti hier sein,

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