Page:H.M. Die kleine Stadt.djvu/220

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„Was, Dante! Wie kannst du so böse sein gegen die arme Tonietta. Ich, deine Cölestina, verstehe sie zu gut.“

„Du verstehst, daß sie ihn, obwohl er Mitleid mit ihr gehabt hat, betrügt?“

„Ich verstehe, was sie sagt: du hast mir schon einmal unrecht getan, ich war unschuldig.“

„Auch er aber hat recht: ,Seither warst dus um so weniger!‘ Denn sie war eine Dirne, wie?“

„Hat ers anders gewollt?“

„Gut! Er schließt sie ein und geht. Das verdient sie.“

„Nicht fortgehen, Piero! Der andere wird kommen!“ rief Cölestina so laut, daß Nello Gennari den Fuß anhielt und sich umwandte. In den Logen lachten mehrere. Eine Sekunde lang spähte er mit dem düsteren Blick seiner Rolle durch den Saal, dann stieß er beide Fäuste hinter sich und trat in die Kulissen. An ihrem Rande blieb er stehen. Flora Garlinda stützte sich dort vorn auf das Fenster und sang ihre Arie: „Welche Erlösung, nicht mehr von Liebe zu wissen.“ Es war ihre schönste, und sie sang sie wie ein Engel: ganz sicher mußte sie sie wiederholen … Nein? Wenige klatschten, und sie wurden zum Schweigen gebracht. „Die Leute sind neugierig. Sie fühlen eine Entscheidung kommen; wahrscheinlich klopft ihnen das Herz. Keine Stimme ist mehr im Saal, kein Geräusch. Ja, starrt her! Gaddi ist aufgetreten, mit seiner Peitsche und seinem strammen Bauch, den er schwenkt, indem er die Hose höher zieht. Ein furchtbarer Kerl! Er hilft meiner Tonietta aus dem Fenster, führt sie auf die Straße, will sie fortschleppen. Noch widersteht sie; aber seid überzeugt, sie wird mitgehen: ich habe Unglück.“

„Mein Lieber,“ sagte hinter ihm der Cavaliere Giordano, der schon abgeschminkt war, „was halten Sie von meinem Bettler? Welch Erfolg! Sagen Sie nur!“

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