Page:H.M. Die kleine Stadt.djvu/131

From Wikisource
Jump to navigation Jump to search
This page has been proofread.

Die Stimme des Alten war nicht mehr hohl gewesen. Sie war stark: „Wo habe ich heute morgen meine Ohren gehabt?“ Nie hatte sie tremoliert. Der Kapellmeister schüttelte noch immer die Hand seines Sängers.

„Niemand hat diese meine Musik gesungen wie Sie!“

Er hatte vergessen, daß überhaupt noch niemand sie gesungen hatte. Mit immer neuem Entzücken:

„Das Crescendo, das Sie eingeführt haben, tut die beste Wirkung!“

Der alte Tenor lächelte klug.

„Ganz dasselbe sagte mir auch der Maestro Verdi, als ich mir im ,Don Carlos‘ das Crescendo erlaubte, das seither alle singen.“

„Ihm selbst haben Sie vorgesungen!“

„Ich war bei ihm in Busseto, ich stand neben ihm, der sein Werk für mich spielte, wie nun Sie das Ihre, Maestro.“

„Ein Verdi!“

Der Kapellmeister sprang auf und lief durch das Zimmer. Der Cavaliere Giordano trat an das Fenster.

„Hier hat man einen weiten Horizont“, bemerkte er. „Die vielen Dächer bergab, und in der Dämmerung drunten, weithin verstreut, die Lichter. Sie haben es gut, Maestro, Sie sind jung.“

„Wenn es nicht dunkel wäre, würden Sie sogar zwischen jenen blauen Nebelwänden, die Berge sind, das Meer erkennen. Ich habe es bei meiner Arbeit immer vor mir, als das Zeichen und das Versprechen meiner Zukunft, eines weitreichenden Schicksals, der Unendlichkeit des Ruhmes!“

„Gewiß ist es Ihnen bestimmt, Maestro, über das Meer zu fahren und mit Säcken voll Dollars zurückzukehren.“

„Sie waren drüben, Cavaliere.“

Der berühmte Tenor bewegte die Hand, als schöbe er dieses Erlebnis zu den geringeren.

123