Page:H.M. Die Armen.djvu/205

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kam sie eine widerwillige Miene die Stufen hinunter zu der Tür, die aussah wie ein wackliger Kleiderschrank, schritt sie vorsichtig, um in keinen Kot zu treten; mit Selbstüberwindung nahm ihre weiß behandschuhte Hand den Griff … Der Bruder ging mit ihr aus, er führte sie zum Essen. So wenige Augenblicke wie möglich sollte sie in der Höhle der Armen sein. Eines Abends dann, als sie das Zimmer im Erdgeschoß betrat, fand sie es neu möbliert, in Weiß, mit rosa Vorhängen am Bett und über dem Toilettenspiegel. Eine Minute staunte sie; dann wandte sie sich um, in der Tür stand der Bruder; und er sah, sie hatte mit ihm Mitleid. Da wußte er, nichts half mehr, und seine größte Furcht, eben jetzt, da er auch dies noch gegen sie versucht hatte, traf sie ein.

Seine Schwester umarmte ihn, als dankte sie. Aber er wußte, sie erbat Verzeihung und nahm Abschied. Er wollte nicht heucheln. „Geh nicht fort!“ sagte er rauh und so flehentlich. Ihre Augen waren voll Tränen, ihre Goldaugen; sie stammelte:

„Wenn ich könnte. Der Weg ist so weit. Am Abend die Arbeit dauert oft lange.“ — Im Schluchzen küßte sie ihn: damit er dies hinnehme, nicht frage.

Drunten an einem geöffneten Kellerfenster saß

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