Läuschen und Rimels/Von den ollen Blüchert
»Sei segg’n jo ümmer, Teterow,
Dat sall so’n leges Lock man sin;
Ick führte gistern middag ’rin,
Dor stun’n jo so ’ne Hüser in,
De stun’n man dor, as stah man so.«
»Ih, Krischan, von de Hüser nich,
Ne, von de Lüd vertellen s’ sick,
Dat de so wat Absonderlichs begahn;
Sei segg’n jo all, de heww’n en Strich.
Nich wohr? Du wardst mi woll verstahn.
Un mi is sülwst in Tet’row wat passiert,
Un tworsten dortaumalen wir’t,
As ick noch rümmer in de rode Jack
As Kutscher güng in Ivenack.
Na, dat is nu all längst vörbi.
Dunn säd enmal de Graf tau mi –
Verstah mi recht, ick red noch von den ollen,
Wat desen sinen Vader wir –:
›Jehann, min Sähning‹, säd’e, ›mache dir
Ganz fixing p’rat, wir wollen
Noch heut nach Tet’row räwer sprütten.
Treck dir‹, säd hei, ›de nigen rod un witten
[185]Kledaschen an un ok de gelen Büxen
Un denn die Kapp auf englische Manier,
Un tu die Stäweln dir auch wichsen;
Denn süh, min Sähning‹, säd’e, ›wir,
Wir wollen heut den ollen Blüchert halen,
Das is vor uns ’ne große Ehre,
Un ’s wär ein Streich, ein recht fatalen,
Wenn nu nich allens proper wäre,
Das wär en Schimp un Schande‹, säd’e.
Ick halt denn nu de Schimmels ut den Stall.
Un wenn ick di dat seggen sall ...
Doch wat sall ick doräwer reden?
Wenn de so ruter kamen deden
Mit ehre viruntwintig Bein,
Dat Für flog so man ut de Stein.
Na, as ick kamm nah Tet’row hen,
Was dor en Wirken un Gerönn;
Dat was, as wir verrückt en jeder.
De Mätens hadden witte Kleder
Un in de Hor en Blaumenkranz,
As wull’n sei glik heran tau Danz.
De Jung’s, de smeten mit de Mützen,
Sei schoten up de Strat koppheister
Un makten ganz verfluchte Witzen.
De Ratsherrn un de Herr Burmeister,
De hadden bunte Kledröck an.
De Köster un de Preister stunnen dor
In den Ornat, in den Tolor,
Un upfidummt was jedermann.
Doch wat de Kniper was, dat was de statscht,
De Kirl, de gung herüm so upsternatscht,
Mit sinen blagen Rock un roden Kragen,
Dat ick so dacht: Führt den’n ein an den Wagen
Un wenn hei einen bi dat Roken fött,
Dat geiht hüt morg’n mindag nich gaud!
[186]En Blaumenstruz hadd hei an sinen Haut
Un vör de Bost ’ne grot Pekett
So as en gaudes Bündel Heu,
Un in de Ärmelupsläg ok noch twei,
Un wil hei korte Hosen drog
Un lange Stäwel d’räwer tog,
So hadd hei noch in jeden einen
An sine leiwen hübschen Beinen
En nüdlich Strüzschen rinne proppt
Un noch vel Gräuns heranne stoppt.
De Kirl, de makte gruglich Stat.
De Schüttengill stunn ok parat
In blagen Rock un blage Hos’
Un lurte up den ollen Blüchert.
De weck ehr Slot was woll nich recht versichert,
Denn weck, de schoten nu all los.
Ick kihrt mi nich an ehr verdammtes Scheiten
Un führt nu vör den Gasthof vör,
So as mi uns’ Herr Graf hadd heiten.
De Wirt, de stunn just vör de Dör,
Un as ick nu em seggt, dat ick de Kutscher wir,
De Blücherten afhalen süll,
Dunn was hei mi ok glik tau Will
Un wis’te mi för mine Pird
En Stallrum an. Ick treck ok rin,
Un as ick dormit farig bün,
Dunn stell ick mi denn up de Däl
Un kik en beten ut de Dör.
Un’t hett ok gor nich durt so vel,
So führt en apen Wagen vör,
Dor seten twei Herrschaften drin.
De ein, dat was en ollen Mann,
So’n säb’ntig Johr müggt hei woll sin,
Un hadd en gräunes Röckschen an
Un eine gräune Mütz upset’t
[187]Un hadd en witten Snurrbort, wittes Hor;
Sach ut grad as en oll Borbor,
Un hadd sick eine Pip anbött
Un rokte di man noch so fett.
Dit würd de Kniper nu gewohr
Un kümmt heran in vullen Draww
Un will de Pip em nemen af.
›Her mit de Pip! Ick frage Sei:
Kenn’n Sei mi nich? Ick bün de Polezei,
Ick bün von wegen’t Roken hir,
Ick bün hir so as Magistrat!
Dit is mi denn tau dull doch schir:
An’n hellen Dag hir rin tau smölen,
Up apen, öffentliche Strat,
Dit fehlt mi noch! Dit süll mi fehlen!
Her mit de Pip! Wo lang sall ick noch luren?‹
Ick denk, de Oll sleiht em eins mang de Uhren;
So kek de olle grise Mann
Den upgeputzten Kniper an.
Doch endlich, as besünn hei sick,
Namm hei de Pip un gaww sei hen
Un säd: ›Dit is en lustig Stück!
Kreuz Bomben! Kindchen, wenn
Ick mir vergangen haben duh,
Hir is dat Dings, un laßt mir nu in Ruh!‹
De Kniper gung mit sine Pip nu af,
De Herrn, de stegen von den Wagen raf
Un wullen nah ’ne Stuw herin.
›Ne, Herren‹, seggt de Wirt, ›dat kann nich sin,
De Stuwen hir, de sünd bestellt,
Doch känen Sei, wenn Sei’t geföllt,
In mine Achterstuw’ herinner treden.‹
Dat was de Oll denn nich taufreden,
Un as hei mi gewohrt in mine rode Jack,
[188]Seggt hei: ›Mein Sohn, büst du aus Ivenack?‹
›Ja, Herr‹, segg ick, ›un sall den ollen Blüchert halen.‹
›Na, hör, mein Sohn, der Blüchert, dat bün ick.
Nu mach dir allens man zu Schick,
Wir woll’n uns machen uf die Sahlen,
Dat wir man hier heraußer kommen duhn;
Die Menschheit muß hier rein verwirrt sinn!‹
›Herr Jesus!‹ schrit de Wirt. ›Herr Jesus!‹ schrit de Wirtin.
›Herr Gott doch, ne!‹ seggt hei. ›Herr Gott doch, ja!‹ seggt sei,
›Dat kümmt von de verfluchte Polezei!‹
›Fru! Leiwe Fru! Ick bidd di bloß,
Fru, holl em wiß, lat em nich los!
Dat mi dat möt in minen Hus’ passieren!
Fru, holl em wiß, de Gill sall glik marschieren.
Legg di up’t Snacken, up dat Bidden,
Sei möten glik de Klocken lüdden,
Fru, holl em wiß, ick hal den Magistrat!‹
Un dormit löppt hei rute up de Strat.
Un nu de Ollsch! Wo knickst sei, wo scharmiert sei!
Wo redt s’ un ded s’, un wo handtiert sei!
Wo handslagt s’ mit de Hän’n, wo dreiht s’ dat Og’,
Dat sei up ehre dreck’ge Käkenschört herunner slog,
Bet dat den Ollen jammern ded
Un hei denn fründlich tau ehr säd:
›Na, lat’t man sind! Lat’t doch man sind!
Man nich dat oll Gejaumel, Kind!
Mich is all wabbelig genug im Magen,
Ick kann dat Swaltern nich verdragen.‹
Doch dat süll fiwmal anners kamen!
Knapp hett dat Frugensminsch den Rücktog namen,
Dunn kamm denn ok de ganze Swamm heran:
De Köster, dat Gesangbauk upgeslagen,
Un twintig junge Mätens gahn vöran,
[189]Mit Blaumenkräns’ in Horen jeder,
Mit roden Band un witte Kleder.
Dunn kamm de Schüttengill: de General vöran
In sine prächtige Mondur,
Dunn kamm de Oberst un Majur,
De Leutnants, Fähndrichs un Kaptains –
Na, Krischan, hür, dat was wat Schöns!
Dunn kemen twintig Unteroffiziere,
Dunn de Serschanten un so wider,
Ick weit nich, wo sei all noch heiten.
De vir Gemeinen kernen nich herin,
De blewen buten stahn un müßten scheiten.
Dunn kamm de Fru Burmeisterin,
Geputzt, grad as ’ne Wihnachtspupp,
En sieden Küssen up de Hand,
Oll Blücherten sin Pip lag d’rup
Mit eine Släuf von rosenroden Band.
Dunn kamm de ganze Magistrat
In sinen besten Sünndagschstat,
Un dorup folgte de Burmeister,
Un ganz tauletzt, dunn kamm de Preister.
Un in de Husdör stunn dat Kopp an Kopp;
De Jungs, de kemen in Galopp
Un drängten in de Husdör rin.
Wo müggt denn nu de Kniper sin?
De Köster sung de Melodei:
›War’s vielleicht um eins, war’s vielleicht um zwei‹,
De Fru Burmeistern sackt sick in de Knei;
De General stunn dor mit sine Gill,
As wenn hei glik verörgeln süll,
De Ratsherrn swegen bomenstill,
As wenn sei up dat Rathus wesen deden.
Doch de Burmeister fung nu an tau reden:
›Durchlauchtigster! Du Sieger vieler Schlachten!
Dies is ’ne eklichte Geschicht’!
[190]Nimm’s nicht vor übel! Denn wir dachten,
Erhabenster, du wärst das nicht.
Geh nicht mit uns zu strenge ins Gericht!
Oh, Teterow, du mußt dich schämen!
Wir wollten festlich dich begrüßen
Mit Ehrenpforten und Kanonenschüssen –
Und müssen dir die Pfeif’ abnehmen!
Die holde, die erhabne Pfeife,
Die, schön geschmückt mit rosenroter Schleife,
Zu deinen hohen Füßen liegt;
Die du in mancher wilden Schlacht
Dir zur Beruh’gung angemacht,
Mit der du immer hast gesiegt.
Durchlauchtigster, großmüt’ger Fürst!
Erbarme dich! Nicht wahr? Du wirst
Dem hies’gen Magistrat nicht zürnen.
Nicht wahr, o Held, du hast verzieh’n?
Sieh: rings um dich gesenkte Stirnen,
Mein teures Weib hier auf den Knie’n
In ihrer vollen Schönheit Reife;
Sie reicht dir zitternd deine Pfeife,
In Wehmut aufgelöset ganz.
Flicht dir in deinen Siegerkranz
Auch noch der Großmut edlen Ruhm,
Nimm dein erhabnes Eigentum,
Geh mit uns gnädig ins Gericht!
Es ist ’ne eklichte Geschicht’!
Doch Tet’rows Bürgerschaft, sie kennt,
Was die Gerechtigkeit verlangt:
Dort steht der Bösewicht von Delinquent,
Der deine Pfeife sich gelangt;
Dort steht der niederträcht’ge Mann!
Nimm gnädig ihn zum Opfer an,
Geh mit ihm schrecklich ins Gericht;
Er war von je ein Bösewicht!
O Held, nur keine Gnade nicht!
[191]Du Siegesfürst! Wir alle kannten
Ihn lange schon als Frevelanten,
Als einen sauberen Patron.
Sieh! Sein Gewissen regt sich schon.
Sieh ihn vor Schreck dort in den Winkel taumeln,
Erhabenster! Der Kerl muß baumeln!
Auf, Tet’rows Bürger! Auf! Man greife
Ihn, den die Hölle ausgespie’n,
Man fass’ den Bösewicht und schleife
Ihn her zu des Erhabnen Knie’n,
An dem er sich vergriffen hat.
Hierher! Zu der unschuld’gen Pfeife,
Der stummen Zeugin seiner Tat.‹
Knapp hadd nu de Burmeister slaten,
Dunn deden sei den Kniper faten:
En Grofsmidt un en Timmermann,
De sleppten nu mit em heran.
Ach Gott, wo let den Kniper dat!
Tworst was hei noch in vullen Staat
Und hadd noch all sin Blaumenstrüz
An Kopp un Bost, an Bein un Stüz,
Doch was hei jetzund jedenfalls
All gänzlich kamen vör de Hun’n:
Sin Hän’n, de wiren up den Puckel bun’n,
Un einen Strick hadd hei üm sinen Hals.
As wenn so’n Pingstoß dörch de Stadt,
De schönste ut de ganze Haud,
Taum Schlachten rümmerleddet ward,
So let den ollen Kniper dat,
Un so was just em ok tau Maud.
Em würd bald slimm, em würd bald äwel,
De Bein, de slackerten em in de Stäwel,
As sei em würden ranne schuppen,
Un sweiten ded hei grote Druppen.
Dor stunn hei nu, de arme Sünner,
[192]Un achter em sin Fru un säben Kinner,
De wiren up de Knei dal follen
Un rohrten, wat dat Tüg wull hollen.
Oll Blüchert, de stunn ruhig dor
Mit sinen witten Bort un mit sin wittes Hor
Un kek sick bald den Jammermann
Un bald den Herrn Burmeister an,
As wenn hei nich recht weiten ded,
Wat allens dit bedüden süll.
Bi den Burmeister sine Red,
Dor grifflacht hei sick heimlich in de Still,
Doch as de Kniperfru un ehre Gören
Nu an tau rohren fangen deden
Un as de Kniper vör em stünn,
Grad liksterwelt as Botter an de Sünn,
As so en afgebräu’ten Hund,
Dunn würd de Sak em doch tau bunt.
›Wat soll dat sind?‹ säd hei, ›jeht man nach Haus!
Ick kümmre mir och nich die Laus
Um die oll dämlich Rökerbüß.
Ick hab jerocht; dat is jewiß!
Der Mann, der hat janz recht jehabt,
Als er die Pfeif’ mir weggeschnappt.
Dat is nu einmal schon jeschehn.
Nu laßt den armen Deuwel jehn!
So, so, mein Sohn, nu jeh man weck,
Da hast en Daler vor den Schreck.‹
Nu fung denn de Burmeister wedder an:
›Großmüt’ger Held! Erhab’ner Mann ...‹
›Ei wat‹, säd nu de Oll, ›laßt mir in Ruh‹,
Ick bin kein Held, ick bin der olle Blüchert,
Un wenn ick mal wat duhen duh,
Wat mit de Polizei sich nicht verdrägt,
Denn jlobt mir zu, denn seid versichert,
[193]Dat mich denn och’t Jewissen schlägt;
Ick jeb denn meine Straf och willig.
Wat enen recht is, is den andern billig!
Ihr habt dat Dings mir abjeluchst,
Der olle Schmurjel is verfuchst.
Un as hei nu de Fru Burmeistern sach,
Dat sei noch up de Knei dor lag,
Dunn säd hei fründlich: ›Laß man sind!
Scharmantste, stehn Sie uf, mein Kind!
Ick bin janz zahm, ick duh nich beißen;
Wat soll dat olle Rutschen heißen?
So, so! Nu jeb’n Se mir en Kuß,
Der olle Blüchert weeß, wo’t muß.‹
Un as sei upstunn von dat Flag
Un hei ehr in de Ogen sach
Un as hei dat irst würd gewohr,
Dat sei en smuckes Wiwken wir,
Dunn gaww hei lewerst ehr en por
Un nahsten noch en Stück’ner vir
Un säd: ›Dat muß ich injestehn:
Wenn och de Mannsleut sind verschroben,
So muß ick doch dat Städtchen loben,
Denn seine Weiber sind doch schön,
Wat ick seit heut beschwören kann. –
Nu, Ivenacker, nu spann an!‹
Na, ick hadd dat denn ok sihr hild.
Ick spannte fixing an de Mähren,
Un as ick führte vör de Dören,
Dunn was denn ok ganz Tet’row wild.
De ganze Stadt, de was as dull,
De Straten stun’n proppen vull,
Kein Minsch was in de Hüser blewen,
Sei wiren rut mit Stump un Stäl
Un schregen all ut vulle Kehl:
›Un de oll Blüchert, de sal lewen,
[194]Un Fru Burmeistern ok dorneben!‹
Un hadden einen wohren Giper,
Sick alle dankbor tau bewähren.
Un up de Pump, dor satt de Kniper,
Sin Fru un sine säben Gören,
Un hadd ’ne Buddel in de Hand
Un drünk dorut för’t Vaderland,
Up de Gesundheit von den Ollen,
Bet selig hei herunner follen.
Oll Blüchert wull von nicks mihr weiten,
Von Vivatraupen un von Scheiten,
Hei makte swinn sick in den Wagen,
Un ick müßt ut de Stadt rut jagen.
Doch hadd wi noch ’ne lütte Haveri,
Denn allentwegen kemen s’ bi
Un smeten uns mit Blaumen un mit Gras;
Un ›Kling!‹ smet so en glupschen Flätz
Von Schausterjung’ dörch’t Finsterglas
Von mine Kutsch den Ollen an den Dätz.
Hei wull doch smiten ok en beten
Un hadd mit Sünnenblaumen smeten.
So, Krischan, was de Sak, un so
Güng’t Blücherten tau Teterow.«
»Na, Jochen Ahlgrimm, dat möt ick gestahn,
Dat is em idel narsch dor gahn.
Wo is sin Pip denn äwerst blewen?«
»Je, Krischan, süh! Dat was dat eben;
Dor künn’n sei sick nich üm verdragen,
Un’t kamm tauletzt gar bet taum Klagen.
De Fru Burmeisterin hadd seggt,
Sei hadd de Pip geschenkt bekamen;
De Kniper säd, dat wir sin Recht,
Hei hadd s’ den Ollen afgenamen;
De Herr Burmeister äwer säd,
[195]Hei hadd s’ verdeint för sine Red. –
Nah langen Strid, nah lange Tid indessen,
Nah vel Verdreitlichkeiten un vel Prinzessen,
As sei nich wüßten, wat dormit anfängen,
Dunn kemen s’ endlich äwerein
Un deden s’ in de Kirch uphängen.
Dor kannst du s’ hüt noch hängen seihn:
Grad an den Altor. Up dit Flag
Hängt sei noch bet taum hüt’gen Dag.«