Page:H.M. Venus.djvu/299

From Wikisource
Jump to navigation Jump to search
This page has been proofread.

schmäht, niemand verdammt, keinen Groll gehegt. Mich und mein Schicksal habe ich gut geheißen bis ans Ende; wie könnte ich meinen Tod hassen? Er ist nichts Fremdes. Er hat Teil an meinem Leben, das ich liebe. Er ist seine letzte Geste, und ich wünschte, er wäre seine glücklichste.“

∗             ∗

Zu Hause fand sie ein Telegramm von Nino:

„Im Begriff, die Reise über das große Wasser anzutreten, sende ich dir, liebe Yolla, einen letzten Gruß aus der alten Welt.“

Sie lächelte zu seinen abenteuerlüsternen Gemeinplätzen; sie antwortete ihm: „Guten Mut und auf Wiedersehn!“

„Es war ihr still und süß zu Sinn, als sie sich zur Ruhe legte. In der Nacht erwachte sie von dem gewöhnlichen Schmerz in der Herzgrube. „Es ist so wenig, ich kenne das viel schlimmer,“ dachte sie. Aber ihr Herz schlug wie unter einer Hülle von Angst. Sie lauschte darauf. Plötzlich setzte es aus. Sie sah mit Augen, weit offen und voll von Grauen, in die Dämmerung, und sie meinte, es spiegele sich in der fahlen Luft ihr eigenes, schreckliches Bild. Sie seufzte auf; der Puls war zurückgekehrt.

Ihre Glieder waren kalt. Sie that ein paar Schritte, da ward der Herzmuskel aufs neue vom Krampf erfaßt. Es blieb ihr keine Jeit, ihr Lager aufzusuchen, der Schmerz warf sie in einen Stuhl. Dieser Schmerz eilte zu beiden Seiten der Brust nach

283