Page:Gedichte Hesse 1919.djvu/126

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Es muß noch irgend eines Liedes Keim,
Das Keiner sang, von sommerlichem Glühen,
Voll zitternd reifer Luft in jedem Reim,
Von meinem Munde in die Länder blühen.
Es muß noch irgend ein hochmütiges Weib,
Das schöner ist als was ich sah von Schönen,
Mir schenken ihren adlig schlanken Leib
Und unter meinem heißen Kusse stöhnen.
Es muß noch sein, daß von der Heimat her
Ein Gruß mich trifft, ein Wissen mich erreicht,
Daß mir verziehen ist, daß sie vielleicht
Dort an mich denken, ob ich glücklich wär?

Dennoch, wär' alles dieses mir beschert,
Ich fände keine Rast. Es gibt noch Sterne,
Nach denen meine Sehnsucht nie begehrt,
Es gibt noch Land in unbetretener Ferne
Wo Ströme gehn und fremde Menschen sind
Und Höhen, die der Frost mit Eis umspinnt.
O reiche Welt, laß mich von deinen Gaben
Nur einmal eine satte Fülle haben!
O reiches Leben, laß von deinen Wehen
Und Lüften keine mir vorübergehen!

Noch ist mein Leben der Erfüllung bar
Und nicht so schön, wie irgend eines Baumes
Besonnte Blust noch irgend eines Traumes
Flüchtige fabelhafte Schönheit war.