Page:Labi 2009.djvu/211

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es zumeist an wirklichen Experten, so sei ein hoher Prozentsatz jener dem Bergsteigen zum Vorwurf gemachten Unglücksfälle nicht von vornherein als Unfall in Zusammenhang mit dem Bergsteigen im Hochgebirge anzusehen: «Ein berufsmässiger Edelweisssucher, eine Sennerin, die beim Aufsuchen eines verlaufenen Stückes Vieh abstürzt, ein Holzknecht, der von einem Baume fällt, ein Steinklauber, der im wilden Geschröfe zu Grunde geht, und noch viele Andere, sind ganz gewiss auch <Opfer der Berge> - mit der Bergsteigerei aber haben sie nichts zu thun!»[20]

Eine seriöse Bezifferung der Unglücksfälle ergebe sich erst aus der Gegen- überstellung mit der Anzahl glücklich abgelaufener Touren. Die Beschaffung ebendieser Basisdaten stellt bis heute wohl die grösste Schwierigkeit einer Unfallstatistik im Freizeitbereich dar.

Wird ein Absturz in den Bergen schliesslich als «wahrer Bergunfall» anerkannt, zeichnet sich dessen Besprechung häufig durch ausschweifende Erläuterungen der Rahmenbedingungen aus. Der Protagonist wird mit seinem bergsteigeri- schen Lebenslauf in den Vordergrund gerückt, seine alpinistischen (Männer-) Werke stehen für seine Erfahrung und Tüchtigkeit. Verunfallt ein anerkannter Alpinist, so wird sein Ableben als Verlust für die Hochtouristik betrauert. Der sich selbst als «Grenzgänger» bezeichnende Südtiroler Extrembergsteiger und Autor Reinhold Messner schreibt 1996, dass Bergsteiger dazu neigen, infolge eines Bergunfalls verstorbene Kameraden posthum zu Helden zu machen.[21] Namen werden in unmittelbare Verbindung mit bergsteigerischen Leistungen gesetzt, ein Unfall wird oftmals zum Unglück banalisiert, welches von der Un- barmherzigkeit der Natur, den unberechenbaren Bergen und dem launenhaften Bergwetter zeuge. Der Gang in die Berge wird zur spirituellen Erfahrung erho- ben, am Berg zu sterben zur Vollendung eines Bergsteigerlebens. So beschreibt die Oesterreichische Alpenzeitung 1901 die letzte - tödlich endende - Bergtour eines Innsbrucker Kletterers gewissermassen als Emigration aus den qualvollen Tiefen und als Immigration in wohlige und wundervolle Höhen: «So zog er in die Berge aus dem Wulst, dem Dünkel, dem Elend des Thales zu Stätten innerer Erleuchtung, wo die Begeisterung, der Jugend Wagemut lichterloh zum Himmel schlagen konnten in Glück und Lust ohne Kümmernis.»[22]